Brasilien
‹Sklaven›, Kind. Eingeborene dieses Weltteils zu Sklaven zu nehmen ist durch unumstößlichen Erlaß des Königs verboten, und eine päpstliche Bulle droht allen Übertretern Höllenstrafen an. ‹Verwaltung› ist das, was wir im Auge haben. Was Sie hier sieht, sind alles unsere Verbündeten, Tupis und Guaranis und Caduveos, die wir von unserer Sache überzeugen konnten und die sich uns als Führer und als liebende Gefährten angeschlossen haben. Viele von uns sind von indianischen Müttern empfangen und zeugen in der gleichen Weise fort. Einige wenige gibt es, zugegeben, die sich dem Dienst bei uns entzögen, wenn sie nur könnten. Aber Gott hat unsere Expedition noch nicht mit einer hinreichend reichen Ernte an bekehrten Seelen gesegnet, und viele von denen, die wir für Jesus gewonnen haben, sind zu unserem Jammer durch Pocken und Fieber in Sein himmlisches Jerusalem abberufen worden. Unser Kaplan hat schon so oft die letzte Kommunion gespendet, daß sein kostbarer Weinvorrat ganz aufgebraucht ist!»
«Diese Halunken fliehen», polterte José dazwischen, «sie flüchten vor uns, indem sie sterben! Sie sind so wenig dankbar für den Schutz, den wir ihnen angedeihen lassen, daß sie ihren Herzen aus purer Bosheit befehlen, stillzustehen! Deshalb ist Euer Mohr hier so ein hochwillkommener Schatz, mein gnädiges Fräulein. Selbst in São Paulo können sich nur wenige den Luxus eines reinblütigen Schwarzen leisten. Die Mohren sind eine Rasse, die Gott nur zur Beförderung der Wohlfahrt ihrer Herren geschaffen hat, die Söhne von Ham, die den Söhnen Schems und Japhets dienen müssen. Sie sterben einem nicht weg. Sie beklagen den Verlust ihrer pestverseuchten Heimat und hacken sich Götzen und Trommeln zurecht, und wenn genug auf einem Haufen sind, dann werden sie aufsässig und fliehen und rotten sich in der Wildnis in quilombos zusammen, wo nichts als Zügellosigkeit und Anarchie herrscht – aber sie sterben einem nicht in solch verbrecherischen Mengen unter den Händen weg.»
«Er ist kein Sklave!» rief Isabel aus.
Antônios barocke Augenbrauen, in denen sich schnörkelige graue Locken mit kupferroten Strähnen mischten, hoben sich in gelinder Überraschung. «Was ist er dann?»
«Er ist mein Mann, mein Gatte, mein Gefährte», sagte Isabel. Sie wappnete sich, um dem zu erwartenden Spott standzuhalten, denn es klang wahrhaftig absurd, in solchen Tönen von einem Wesen zu sprechen, das störrisch schwieg, als wäre es keiner Sprache mächtig, und in Ketten und Halseisen gelegt war wie ein Affe oder Hund. Doch ihre Worte riefen ein erstauntes Schweigen hervor. «Ich liebe ihn», sagte sie in das Schweigen hinein, mit einer leisen Stimme, die ihr versagen wollte, so weit hatte sie diese Liebe, wie ein Stück Meißener Porzellan, über die ganze Breite von Brasilien getragen.
Antônio, noch immer lind, beugte sich mit aufmerksamen Bernsteinaugen nach vorn. «Erzählt uns Eure Geschichte», befahl er.
«Wir sind nach Westen gezogen, für mehr Wochen, als man zählen kann», begann sie, «um den Zorn meines Vaters über unsere Verbindung zu fliehen und einen Platz für uns zu suchen, an dem wir uns niederlassen und nützliche Arbeit verrichten können. Zwei Wochen oder länger ist es her, da wurde unsere kleine Gesellschaft von buntbemalten Wilden überfallen. Sie töteten unsere treue Tupi-Dienerin und raubten unsere beiden Kinder und ritten auf riesigen Pferden davon.» Die kurze Erzählung genügte, um ihre wunde Seele wieder die ganze Last des Unglücks spüren zu lassen, das sie getroffen hatte. Tränen liefen über ihre Wangen, und in der Kehle schmerzte das unterdrückte Schluchzen.
«Aha, das waren Guaicurus – fleischgewordene Teufel», schaltete sich José begierig ein. «Sie haben sich die arabischen Pferde dienstbar gemacht wie durch Zauberei. Sie reiten ohne Sattel und Zaumzeug, mit einem Sprung sind sie auf dem Rücken ihrer Tiere. Damit der Stamm beweglich bleibt, töten die Frauen ihre Kinder im Mutterleib ab, mit wütenden Verstümmelungen, durch die sie für immer unfruchtbar werden. Um den Mangel auszugleichen, rauben sie Kinder, wo immer sich die Gelegenheit bietet, und ziehen sie dann als ihre eigenen auf, im Geiste Satans. So wider die Natur ist das Leben dieser Finsterlinge, daß sie gar Männer in Frauenkleidern halten, die sich zum Pissen niederhocken und mit jedem neuen Mond den Blutfluß vortäuschen. Ihre Gotteslästerungen kennen keine Grenzen!»
Isabel wandte sich an Antônio:
Weitere Kostenlose Bücher