Brasilien
Kind soll ihr Herz verschlingen», sagte er, und Ianopamokos zartes Gesicht verzerrte sich so wütend, als sie die höhnische Grimasse des schwarzen Mannes mit den dicken Lippen nachzuahmen versuchte, daß es komisch aussah. Eine fein ziselierte Bemalung in Indigoblau bedeckte Ianopamokos eher flaches Gesicht, und jede der punktierten Linien und angelhakenförmigen Figuren hatte eine Bedeutung, die aber nur die runzlige Alte kannte, die die Malereien erneuerte, wenn sie verblaßten, und die selbst schon an der Schwelle zum großen Vergessen, oder der gewaltigen Erinnerung, des Todes stand.
Vielleicht zeigte Tristãos Fluch Wirkung, denn das neue Baby lag ihr ganz ungewöhnlich schlaff und ruhig in den Armen, während Azor schon in den ersten Wochen mit den Füßen getreten und seine kleinen, fetten Arme gegen sie gestemmt hatte.
Tristão, dem ein Fußeisen angelegt worden war, um ihn an der Flucht zu hindern, arbeitete anfangs auf den Feldern, die mit Feuer gerodet und dann mit Maniok und Mais, Süßkartoffeln und Erdnüssen, Tabak und Kürbissen und schwarzen Bohnen bepflanzt worden waren; als jedoch sein handwerkliches Geschick auffiel, das er sich in der fusca -Fabrik und in der Goldmine erworben hatte, wurde er auf das Aushöhlen der Einbäume angesetzt, die für eine spätere Fortsetzung des Zuges der bandeira weiter flußabwärts benötigt wurden. Diese pirogas mußten möglichst groß und breit sein, damit sich die Paiaguá-Krieger nicht unter Wasser an sie heranmachen und sie zum Kentern bringen konnten, und erforderten die mächtigsten Kastanien-, Mahagoni- und Araukarienstämme, die mit der einzigen, rostigen Eisenaxt des Dorfes in mühevoller Arbeit behauen und zugerichtet wurden. Die Peixoto-Brüder hofften, daß dieser Fluß in den Madeira münden würde, an dessen Ufer, so hatten es frühere Expeditionen berichtet, sich Indianerdörfer so dicht drängten wie Weinbeeren an der Traube, die nur darauf warteten, gepflückt zu werden. Vom Madeira aus wollten sie dann über den Amazonas das offene Meer gewinnen und auf diesem Wege zu einem paradiesischen Lebensabend im Kreise von domestizierten, dankbaren, bekehrten Heiden in der Provinz von São Paulo zurückkehren.
Wenn sie neben Antônio im Bett lag, unter einem hohen, faszinierend detailliert ausgeführten Kruzifix – jeder Finger- und Zehennagel, jeder Nagelkopf und Blutspritzer wirklicher als wirklich –, hörte Isabel die Saga von der langen Fahrt der bandeirantes: Wie sie mit großen Hoffnungen und üppigen Vorräten aufgebrochen waren und Weib und Kind und finanzielle Hintermänner ihnen auf den ersten Meilen der gut ausgetretenen Wegspur jubelndes und winkendes Geleit gegeben hatten; wie sie vierzig Tage später, verdreckt und dezimiert an Zahl, aber gehärtet im Geist, die Missionsstationen von Paranapanema und Guairá erreicht hatten, nur um dort festzustellen, daß die Missionen mit ihren fügsamen, wie Schafe in den Pferch getriebenen, bekehrten Stämmen von anderen bandeiras schon vor ihnen überfallen und vollständig ausgeplündert worden waren, worauf sich das feige spanische Jesuitenpack mit den Überlebenden nach Süden und Westen davongemacht hatte, über die Fälle von Iguaçu hinaus bis an die Ufer des Paraná; und wie sie endlich, nach Monaten voller Entbehrungen, den Paraná erreichten und überquerten, was ihnen eine Reihe von grausamen Scharmützeln eintrug, weil die spanischen Behörden es den Jesuiten schließlich erlaubt hatten, die Indianer mit Gewehren zu bewaffnen. Die Zeit der leicht errungenen Triumphe eines Antônio Raposo Tavares oder André Fernandes, die Tausende von Indios in die Gefangenschaft geführt hatten, gehörte einer unschuldigeren Vergangenheit an. Die bandeira der Peixotos zog sich nach Nordwesten ins sumpfige Pantanal zurück, wo die Erträge mager waren. Schlächtereien, Seuchen und die Plage von Jaguaren und Kaimanen, die sich an den geschwächten Indianern gütlich taten, hatten vor ihnen ihre Ernte gehalten. Die halbverhungerten Reste, kaum mehr als eine oder zwei Familien, waren kaum eingefangen, als sie schon, unter leidigem Gefurze und Gehuste, einer nach dem anderen das Zeitliche segneten. «Wenn wir ein Indianerdorf erreichten, war es unser erstes, die Bewohner dazu anzuhalten, daß sie zuvörderst ihre Ernten auf den Pflanzungen einbringen möchten, dieweilen wir uns in soviel Geduld übten, wie zur Beförderung unserer Zwecke dienlich war. Hatten sie sich ihrer Aufgabe zu unserer
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