Brasilien
Entscheidung zum Kauf ihres Claims auf der Serra do Buraco fällten oder als sie ihn in das Hotel in São Paulo führte und sich dann entschloß, ohne sinnlose Gegenwehr mit den Kidnappern mitzugehen, war Isabel Tristãos Führerin in der Welt jenseits der favela gewesen; jetzt war er es, der kühne Pläne schmiedete, wie er sie durch die Wildnis in jene Welt zurückführen würde. Er beschloß, das Dorf nicht gleich zu verlassen, sondern die Toten zu begraben, ein neues Dach über den stehengebliebenen Seitenwänden von Antônios Blockhaus zu errichten und abzuwarten, bis der Maniok, die Bohnen und die Süßkartoffeln reif wären. Dann erst, beladen mit farinha, die Isabel zerstoßen und an der Sonne trocknen würde, und mit Dörrfleisch aus den Erträgen seiner Jagd mit einer alten Arkebuse, die die bandeirantes zurückgelassen hatten, wollten sie sich in die chapadões hinauswagen, wo sie schon einmal, zu zweit allein, beinahe verhungert wären.
Aus dem umgebenden Urwald beobachteten die Indianer, wie das Paar sich seine vorübergehende Heimstatt schuf, und als sie merkten, daß das Dorf zu einem weniger bedrohlichen Ort geworden war, ließen sie sich allmählich wieder blicken, nahmen den Fischfang wieder auf, plünderten die Überbleibsel der Schätze, die die bandeirantes angesammelt hatten, und erwiesen sich als hilfsbereit, wenn man sie um Hilfe bat. Trotzdem versuchten Isabel und Tristão nicht, sie mit den wenigen Worten, die sie von ihrer Sprache aufgeschnappt hatten, zu Begleitern auf ihrem Rückmarsch durch die Wildnis zu gewinnen. Sie waren begierig, in die moderne Welt zurückzukehren und sich abermals an ihr zu messen; diese zwergenhaften, nackten, durch Selbstverstümmelung entstellten Bewohner einer fernen Vergangenheit mit ihren rauchgeröteten Augen, ihren triefenden Nasen, ihren Kugelbäuchen und ihrer ständigen, von Darmparasiten hervorgerufenen Furzerei kamen ihnen wie kindische Schulkameraden vor, die sie hinter sich lassen mußten, allein mit ihrem Schicksal, ihrem Leiden, ihrem Weg in den Untergang.
25. Wieder zu zweit allein
Sobald das verbrannte Dach durch geflochtene Palmblätter ersetzt war, hatten Tristão und Isabel einen Ort, an dem sie ungestört genug waren, um ihr gemeinsames Leben von neuem zu erkunden. Drei Jahre waren seit dem Auflodern ihrer Sexualität in dem Zeitraum zwischen dem Überfall der Guaicurus und ihrer Rettung durch die bandeirantes vergangen, einem Lodern, das vom Fieberwahn des Hungers und der romantischen Erfahrung der Todesnähe angefacht worden war. Seit damals hatten Tristão und Isabel nichts mehr dazu getan, sich den Namen eines Liebespaares zu verdienen. Jetzt begannen sie behutsam – Isabel mit einem scheinbar verlangsamten Rhythmus des Empfindens, er mit einem nervöseren und leichter ablenkbaren –, den schlammigen Uferstreifen des Sex von neuem zu bepflanzen. Der Tausch ihrer Hautfarben gab ihnen neue Gelegenheit zu jenem heikelsten von allen Spielen der Liebe, dem Verhandeln. Wie sahen diese Seelen aus, die sich in gegenseitiger Durchdringung definieren sollten? Die veränderte Haut bedeutete andere Schweißdrüsen, andere Gerüche, anderes Haar, andere Bilder von sich selbst, andere Hintergründe. Es lag jetzt etwas Höhnisches in ihrer Sexualität, in dem sich die Erfahrungen von Generationen schwarzer Frauen wider spiegelten.
Von ihrer toten, weißen Mutter hatte Isabel als Erbteil hauptsächlich eine unverbindliche Koketterie und vielleicht auch eine Angst vor dem Gebären mitbekommen. Nun war ein anderes Erbe auf sie gekommen und mit ihm eine Stärke, die nicht mehr in der Passivität lag. Als Schwarze entdeckte Isabel in sich ein ganzes Arsenal von Aggressionen, und so wurde sie, wenn die Dunkelheit auf den raschelnden Strohsack niedersank, der ihr und Tristão als Lager diente, zu einer Tyrannin, einem Quälgeist der Lust. Seine weiße Haut schimmerte in dem Schatten der Hütte, deren Dach vom Mondlicht nur ein paar kleine Splitter einließ, während sie nun unsichtbar war und mit ihm Haschen spielte, sich ihm darbot und entzog. In der Finsternis ließ sie ihn auf unerwartete Regionen ihres Leibes stoßen, biß ihn in die Schulter oder schlug ihre Fingernägel in seinen Rücken – eine völlige Abkehr von der schüchternen Verehrung, mit der sie seinem Körper früher begegnet war. Sie hatte gewußt, daß es einen neuen Sadismus zwischen ihnen geben würde, aber sie hatte nicht damit gerechnet, daß er von ihr ausging. Was ihren Zorn
Weitere Kostenlose Bücher