Brasilien
noch steigerte, war ihr Eindruck, daß er oft nicht bei der Sache war, wenn er neben ihr lag oder sich auf sie wälzte. Die Farbe ihrer Haut bedeutete für ihn kein Ziel mehr, zu dem er unterwegs war, sondern etwas Vergangenes, das er hinter sich gelassen hatte. Seine Yamswurzel konnte ihr immer noch Befriedigung verschaffen, aber ihr Anblick ließ ihr keine Schauer mehr über den Rücken laufen. Vielleicht war es ein neues Gefühl der Rassigkeit in ihr selbst, das zwar nicht die schiere Größe des Organs, aber doch seine elementare Macht, die liebenswerte Wildheit seines Wesens geringer erscheinen ließ als ehedem. Seit sie seinen Schwanz in Onkel Donacianos Appartement zum erstenmal gesehen hatte, hatte er seine urtümliche Monstrosität, seine amphibische Schlangennatur aus einer Welt weit vor dem Menschen, längst eingebüßt. Eine weiße Frau zu sein, die sich von einem Schwarzen ficken ließ, war weitaus köstlicher, so mußte sie sich betrübterweise eingestehen, als eine schwarze Frau zu sein, die von einem Weißen gefickt wurde. Das erstere hatte, für einen Abkömmling der kolonialen Herrenkaste, den Glanz der Gotteslästerung und die Erregtheit von politischem Protest, während letzteres nach einer höchst alltäglichen Affäre schmeckte. Es war kein Wunder, daß die Sklavinnen Brasiliens ihre Hüften in den Glockenröcken geschwenkt und ihre gefransten Sonnenschirmchen gewirbelt und Generationen von Mulatten in die Welt gesetzt hatten wie ein Verein von alten Profis. Ficken war keine große Sache, oder vielmehr, es war Teil einer sehr viel größeren Sache, um die es eigentlich ging: Vielleicht gehörte das zur Lebenserfahrung jeder Frau, aber Sklavenfrauen kamen ohne Zweifel leichter dahinter als eine verhätschelte, zarte, unter der Fuchtel ihres Beichtvaters stehende kleine Herrin, die in ihrem Herrenhaus wie eine Gefangene gehalten wurde, die ihren Gatten niemals nackt sah und die sein Begattungswerkzeug – das oft genug zum Werkzeug ihres Todes wurde – demütig durch ein kleines Loch im Hochzeitslaken empfing.
Wenn auch härter geworden in ihrer Sexualität, fand Isabel unter Tristãos geistesabwesenden Stößen doch neue Formen der Erregung, wenn sie sich auf ihr Inneres konzentrierte und ihren Reaktionen nachspürte, die jetzt klarer konturiert waren, nicht mehr abgeschliffen von einer immerwährenden Hoffnungslosigkeit. Sich in dieser neuen Empfindungswelt zurechtzufinden, nicht wieder aus ihr herauszufallen war die Herausforderung, der sich Isabel mit einer Leidenschaft stellte, die die Kratzspuren auf Tristãos weißem Rücken noch am nächsten Morgen hellrot leuchten ließ. Sie kämpfte um ihr Leben, wo sie früher nur um ihre Lust gekämpft hatte und um die Abnabelung von ihrem Vater.
So wie die Welt des Sex das äußerliche Leben unterfüttert, ist sie oft auch dessen spiegelgleiches Gegenbild. Als der Verlierer in der Außenwelt war Tristão bei ihr ganz oben gewesen. Jetzt war sie es, die die Führung übernahm und Forderungen stellte. Um die Sprache zu gebrauchen, in der sie und Eudóxia in ihrer Mädchenzeit über die Nonnen getuschelt hatten, war sie nunmehr der Hahn und er die Henne. «Du bist mein Sklave», sagte sie zu ihm.
«Ja, Herrin.»
«Schleck mich dort unten, sonst werde ich dich schlagen.» Sie schwang ein Bruchstück des Speers, den José mit seinem Schwert zerschlagen hatte. Als ihr Tristão, viele Minuten lang, gehorcht hatte und sie zu ihrem Höhepunkt gekommen war, sagte sie: «Ich glaube, ich werde dich trotzdem schlagen.»
Er liebte sie mehr als jemals zuvor – er war ganz benommen von dieser Liebe, die sich mit seiner neuen, weißen Eigenliebe vermischte. Ihr neues Verhältnis gab seiner instinktiven Ritterlichkeit endlich ein freies Betätigungsfeld. Auch er hatte gespürt, daß seinem früheren Reiz für sie etwas Tierisches anhaftete. Er war nicht unempfindlich gewesen für die Last, die ihre Einbuße an gesellschaftlichem Rang – die Märtyrerinnenkrone, die zu tragen ihr ermöglicht wurde – seinen Schultern aufgebürdet hatte, und auch die Würdelosigkeit ihrer Hurenexistenz in der Goldmine oder ihres Konkubinats bei den bandeirantes hatte ihn alles andere als kalt gelassen. Wäre er nicht schwarz gewesen – hätte sie ihn dann so beiläufig und heiter betrügen können? Natürlich konnte sie sich damit rechtfertigen, daß seine Armut und seine Hilflosigkeit ihr keine andere Wahl gelassen hätten. Aber hatte sie ihre Erniedrigung nicht in gewisser
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