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Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Titel: Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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B.“
    In dieser Nacht schlief Mouche ihren wohlverdienten Schlaf bei Asbjörn im Zelt. Glückliche Mouche!
    Die Wohnung Nummer fünf war saubergemacht und wartete nur auf Asbjörn, und Tante Cosima war um eine Erfahrung reicher.
    „Ich habe schon so manches mit meinen Mietern erlebt“, erklärte sie. „Sie haben ihre Schuhe mit den Handtüchern geputzt und vergessen, die Kochplatte abzustellen, bevor sie auf Sonntagstour gingen; sie haben beim Weggehen Essenreste stehenlassen, so daß die ganze Wohnung danach stank, sie haben Tassen und Gläser zerschlagen und heiße Bügeleisen auf polierte Tische gestellt. Aber dies geht ja über die Hutschnur!“
    Tante Cosima war bis auf den Grund ihrer ehrlichen Seele erschüttert.
    Doch das tägliche Leben ging seinen Gang, alles kam wieder in sein altes Gleis, und ich verbrachte den ganzen Tag bei Asbjörn und den Alpenrosen. Asbjörn hatte bald einen ganzen Film mit Einzelbildern aufgenommen. Ich brachte ihn zur Post und schickte ihn nach Frankfurt.
    „Jetzt bin ich aber gespannt“, sagte Asbjörn. „Wie werde ich erleichtert sein, wenn ich erst einmal weiß, daß der Film gelungen ist!“
    Einstweilen arbeitete er weiter, und nun wurde es wirklich spannend. Denn nun waren die Knospen am Aufbrechen, Hunderte von Knospen, und Asbjörn wich nicht mehr von der Kamera. Knips, knips und hin und wieder ein gleichmäßiges, langsames Surren. Er ließ die Kamera in der langsamsten Geschwindigkeit laufen, um auch wirklich den Augenblick zu erwischen, in dem sich die Blüte öffnete, den Augenblick, in dem sich die Blütenblätter streckten, auseinanderstrebten und die Blume ihre Staubgefäße dem Licht zuwandte und ihr geheimnisvolles Innere der Sonne offenbarte.
    Diese Augenblicke waren voller Andacht. Da saß ich neben Asbjörn, wir sprachen nicht mehr, sondern blickten nur noch auf dieses Wunder der Natur.
    Diese Tage auf dem Felsvorsprung waren die schönsten, die ich jemals erlebt hatte. Dort konnten wir miteinander reden, dort störte uns niemand, und dort konnten wir einander wirklich kennenlernen. Wir hatten keine Eile, brauchten nicht schnell und angespannt voneinander berichten. Wir hatten Zeit! Die Worte fielen gemächlich, und zwischen ihnen lagen große Pausen. Es kam vor, daß wir lange Zeit nur dasaßen, schweigend und glücklich; glücklich einfach, weil wir auf der Welt waren.
    In diesen Stunden erfuhr ich auch mehr über ihn. Er erzählte, wie es ihm gerade einfiel, ein bißchen von diesem, ein wenig von jenem. Er war gerade erst zehn Jahre alt, als er seine Eltern verlor und zu seinem Onkel und seiner Tante kam, die damals noch in Oslo wohnten. Dort war er aufgewachsen. Ja, freundlich waren sie wohl zu ihm gewesen, aber doch schon recht alt, jedenfalls zu alt für einen so jungen Pflegesohn. Es war alles sehr gut gemeint, aber die Tante hatte ihn behandelt, als sei er fünf Jahre alt. Sie ordnete und bestimmte alles für ihn, hatte ihm geholfen und - war ständig hinter ihm her gewesen.
    „Seitdem habe ich einen Komplex bezüglich Kindermädchen“, meinte Asbjörn. „Ich reagiere irgendwie allergisch auf jede Hilfsbereitschaft! “
    „Deshalb also“, sagte ich. Ich dachte an seine ablehnende Haltung, als ich seine Notizen schreiben wollte.
    „Aber - nun findest du dich doch damit ab, daß ich Besorgungen für dich mache und dir das Essen und dergleichen bringe.“
    „Nun ja, ganz blöde bin ich ja auch nicht. Außerdem.“
    „Außerdem - was?“
    „Außerdem bist ja du es!“ Er sagte es so einfach, und es klang so selbstverständlich. Ganz still blieb ich sitzen und ließ das beglückende Gefühl bis auf den Grund meines Herzens sinken. Plötzlich mußte ich lächeln.
    „Warum lächelst du?“
    „Ich habe keinen besonderen Grund, ich lächele ganz einfach nur.“
    „Und wen oder was lächelst du an?“
    „Ich glaube, das Dasein. Das Schicksal, das es so gut mit mir meint. Ich lächele, weil ich glücklich bin. Ja, weißt du, Asbjörn, ich habe fast das Gefühl, daß ich den lieben Gott dankbar anlächele.“
    Was ich sagte, entsprach der Wahrheit. Aber es gab noch etwas anderes, von dem ich nicht redete. Ich mußte auch über etwas anderes lächeln, nämlich über mich selber, wie ich damals an der Bushaltestelle gestanden und auf Tony gewartet hatte. Wie ich mir
    eine Art Liebe zu Tony eingeredet hatte.
    Nun war mir auf einmal klar, was damals bei mir nicht gestimmt hatte.
    Ich hatte mich ganz einfach auf den ersten Blick in Asbjörn verliebt.

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