Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
Ich hatte von Filmen und Kastanienbäumen, blauen Anoraks und einem ulkigen hausgemachten kleinen Auto phantasiert, bis ich mich selber am Ärmel hatte zupfen und mir vernünftig zureden müssen. Daraufhin hatte ich unbewußt nach einem Ersatz für Asbjörn gesucht, nach einem Menschen, dem ich meine unbändige, jäh erwachte und seltsame Liebe zuwenden konnte.
Und ausgerechnet Tony! Der fröhliche, nette Tony, der im Grunde für mich niemals etwas anderes sein konnte als eben der „fröhliche, nette Tony“.
Wir Menschen sind nun einmal merkwürdige Wesen.
Asbjörn legte den Arm um mich.
„Jetzt fängt es an kalt zu werden, Mäuschen. Jetzt mußt du dein Raubtier mitnehmen und nach Hause gehen. Ich glaube fast, daß wir morgen hier fertig werden - es war eine sehr schöne Woche, Bernadette, und die verdanke ich dir. Aber nun gibt es zwei Dinge, auf die ich mich freue!“
„Das eine dürfte wohl ein normales Bett sein“, sagte ich. „Und das andere?“
„Eine Badewanne mit viel heißem Wasser! Gute Nacht, mein Schatz!“
Der Rucksack war schwerer als jemals zuvor. Denn heute wollten wir auf unserem Rosenvorsprung ein Abschiedsfest feiern. Wie ein Kuli mühte ich mich den Pfad hinauf ab; Mouche jagte vor mir her.
Den bleischweren Rucksack würde ich die letzten drei Meter nicht mehr schaffen. Dort ging es sehr steil hinauf, und man mußte sich mit Armen und Beinen festklammern. „He, Asbjörn!“
Ich blieb unterhalb des Felsbrockens stehen.
Ein schlaftrunkenes Gesicht unter zerzaustem Haar kam über der Felskante zum Vorschein.
„Bernadette, wahrhaftig, ich habe mich verschlafen! Einen Augenblick!“
Es folgte dort oben eine eilige Geschäftigkeit: Knips, knips! Dann kam das Gesicht wieder zum Vorschein. „Kommst du nicht herauf?“
„Der Rucksack ist so schwer. Laß doch deinen Gürtel und den Riemen von der Tragtasche, und was du sonst noch hast, herunter.“ Asbjörn tat es. Mouche und ich kletterten hinauf. Nur der letzte Meter war für Mouche immer zu schwierig. Da blieb sie stehen und winselte, so daß sich Asbjörn auf den Bauch legen, die Hand ausstrecken und sie am Genick packen mußte. „Guten Morgen, ihr beiden - entschuldige mich.“
Wieder zurück zur Kamera. Die Sonne war gerade aufgegangen, und es kam Leben in unsere Blumen.
Während ich das Frühstück auspackte, war Asbjörn zum Bach geeilt, wusch sich Gesicht und Hände und kehrte auch schon wieder zurück.
Knips, knips! Klick, klick! Er nahm das Auge nicht mehr vom Sucher. „Komm, trink deinen Kaffee, Asbjörn.“
„Ja, warte nur - siehst du nicht, Bernadette, die letzte Blüte wird sich jetzt öffnen - weg mit dir, Mouche - es ist die große dort ganz rechts - paß auf - siehst du, wie sie sich bewegt.“
Hastig drehte er die Kamera herum, die nun langsam, ganz langsam surrte, das kostete Film, Meter um Meter - und jetzt streckten sich alle die kleinen Kelche - und es sah so aus, als ob sie erzitterten. Ich hielt Mouche ganz fest. Nun durfte sie uns nicht stören, jetzt, in diesem heiligen Augenblick.
Ein Zittern - und da glitten die Spitzen der Blütenblätter auseinander - die Blätter wichen zur Seite und ließen einen Sonnenstrahl bis auf den weichen, rosigen Grund der Blüte fallen -ein Becher und noch einer und noch einer.
Asbjörn nahm die Hand vom Auslöser und wandte mir ein strahlendes Gesicht zu. Er sagte nichts. Er legte nur den Arm um mich und drückte mich an sich.
Lange blieben wir so stehen. Schließlich aber wurde Mouche ungeduldig. Sie begann, eins der Butterbrotpäckchen zu öffnen.
Da waren wir rasch in die Wirklichkeit zurückgekehrt.
„Ja“, sagte Asbjörn nach einer Weile, „das wäre geschafft. Und das verdanke ich dir, Bernadette.“
„Unsinn!“
„Gar kein Unsinn! Hättest nicht du alle Besorgungen für mich gemacht, mir das Essen und die Decken hergeschafft und.“
„Und die Anregung gegeben“, warf ich ein.
„Ja, die besonders, und noch dazu alle deine Zeit für mich geopfert.“
„,Geopfert’ ist gut!“
„Obwohl du alle Hände voll damit zu tun hattest, Einbrecher zu stellen.“
„Und in der von ihnen verlassenen Wohnung sauber zu machen.“
„Dann hätte ich nicht hier eine Woche lang herumlungern und den Film meines Lebens drehen können!“
„Komm jetzt und trink deinen Kaffee“, sagte ich und reichte ihm die volle Tasse.
„Aber, Bernadette, jetzt habe ich doch tatsächlich vergessen, dich etwas zu fragen.“
„Da siehst du es, du denkst nur noch an
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