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Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Titel: Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Monsieur, voyez a gauche!“
    Ich legte mich platt auf die nasse Erde und erwischte Rajah am Schwanz in dem Augenblick, in dem er in einer Kellerluke verschwinden wollte.
    Der Nachtwächter schmunzelte, und ich sagte „mille merci“, drückte Rajah an mich und beschimpfte ihn auf deutsch und französisch.
    Aber zu Hause blieb ich im Flur stehen und sperrte Augen und Mund auf.
    Der Nachtwächter hatte mich verstanden! Und ich hatte ihn verstanden! Ich hatte französisch gesprochen, ich hatte gewußt, was „Katze“ hieß und was „links“ und was „helfen“! Ich hatte eifrig und verzweifelt gesprochen, ich hatte seine Antwort verstanden - du liebe Zeit, ich begann ja Französisch zu können!
    Ob wohl kleine Kinder ihre Muttersprache auch so lernen? Sie hören eine ganze Menge und es klingt für sie nur als Geräusch - und dann, eines Tages, werden sie schrecklich bange oder furchtbar froh oder brennend eifrig -, und plötzlich stürzen ihnen die Worte über die Lippen.
    Mit einemmal war ich so glücklich. Nun würde ich schon zurechtkommen. Jetzt traute ich mich zu reden. Von heute ab wußte ich, daß ich mich traute. Pfeif darauf, wenn ich Fehler machte! Ich verstand ja, und die Leute verstanden mich! Von diesem Augenblick an ging es bei mir mit dem Französischen in Riesenschritten vorwärts.
    Aber was nicht vorwärtsging, war die Säuberung des Hauses, denn ich war wieder naß geworden und fror entsetzlich. Ich hatte wohl noch die Erkältung im Körper, trotz Pierres Tabletten! Der Regenschauer am Mittag und das kalte Haus und diese Expedition nach dem Katzenvieh, das alles hatte gewiß das Seine getan.
    Morgen muß ich aufräumen, sagte ich zu mir selbst. Und damit zog ich die langen Hosen und den Pullover aus und fiel ins Bett.
    Nein, aus dem Saubermachen „morgen“ wurde nichts. Denn ich erwachte nachts in Schweiß gebadet. Ich hatte die Daunendecke im Schlaf abgeworfen, und die Nachtluft legte sich wohltuend kühl über meinen verschwitzten Körper. Ein bißchen später fror ich so, daß mir die Zähne klapperten. Ich fror mehr und mehr, schwitzte aber gleichzeitig wie ein galoppierendes Pferd an einem heißen Sommertag.
    Ich wischte mit einem Zipfel des Daunenüberzuges den Schweiß ab. Oh, wie war ich durstig! Ich mußte mir etwas zu trinken holen.
    Als ich die Beine auf den Fußboden setzte, schwindelte mir; ich mußte mich an Tür und Tischkante festhalten. Ich kroch bis in die Küche und holte Wasser. Dann taumelte ich zurück.
    So etwas hatte ich noch nie erlebt. War das nur eine gewöhnliche Erkältung, oder hatte ich vielleicht eine Grippe?
    Es war schön, wieder waagerecht zu liegen, aber ich konnte nicht schlafen. Es kamen so viele merkwürdige Gedanken, die sich ineinander verflochten, und die ich nicht auseinanderhalten konnte. Pierre und Freskomalereien und Jungmädchenbücher und Esel und Siamkatzen und das Städtische Krankenhaus in Esbjerg, alles vermischte sich miteinander. Ich schwitzte und schwitzte, fror gleich darauf, dann wurde mir brennend heiß, und ich mußte mehr Wasser trinken.
    Am nächsten Morgen versuchte ich aufzustehen. Es gelang mir, eine Büchse mit Katzenfutter und eine Milchbüchse zu öffnen. Dann schwankte ich zurück ins Bett. Es war verknautscht und wenig einladend, aber ich hatte wirklich keine Kraft, es mir zu richten.
    Ich trank noch mehr Wasser, dann blieb ich still liegen und schaute aus dem Fenster. Es regnete und regnete. Inmitten allen Elends war ich erleichtert, weil es regnete. So wartete doch Pierre mit seinen Eseln nicht vergeblich auf mich. Er half gewiß dem Kaufmann mit der Buchführung.
    Jetzt war ich ganz klar im Kopf, aber wahnsinnig müde, heiß und wunderlich.
    Ich schlief ein bißchen, wachte wieder auf, lag da und starrte in die Luft. Die Einsamkeit übermannte mich schlimmer denn je. Die ersten Tage waren böse gewesen, aber nichts gegen die Stunden, die ich jetzt erlebte. Solange ich gesund war, konnte ich jedenfalls ausgehen, ich konnte Stimmen um mich hören, Stimmen, die plauderten, wenn auch nicht mit mir. Ich konnte in den Geschäften ein paar Worte wechseln, ich konnte auf einer Bank sitzen und Tauben füttern. Und dann kam der herrliche Tag, gestern, an dem ich Pierre kennenlernte. Gestern? Unsinn, das war ja vorgestern! Gestern hatte es zu regnen begonnen. Gestern abend entwischte Rajah, ich holte ihn zurück und sprach mit dem Nachtwächter französisch. Meine Gedanken purzelten wieder durcheinander, und ich glaube, ich schlief

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