Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz
merkwürdigen Reife, ihrer Fürsorge für ihn, seinem kameradschaftlichen Verhältnis zu ihr, das seinen schönsten Besitz bildete. Wie Lisbeths Augen geleuchtet und gestrahlt hatten, als sie auf der alten Liebhaberaufnahme ihren Vater entdeckt hatte, so leuchteten und strahlten nun Georgs Augen, als ich sagte, ein so entzückendes Kind hätte ich noch nie gesehen, und ich hätte Lisbeth in den wenigen Stunden richtig liebgewonnen.
Ich übertrieb nicht. Ich konnte mich nicht erinnern, seit Jahren einen so schönen Tag wie diesen erlebt zu haben. Ich erzählte Georg von der Kochplatte, die Lisbeth sich gewünscht hatte. Da dankte er mir abermals, stotternd und errötend. Nun suchte ich ihm klarzumachen, daß ich Ursache hätte, dankbar zu sein – ja, ich sagte wohl gar, ich beneidete ihn, weil er doch wüßte, wofür er arbeite, und weil er jemand hätte, der sein ganzes Leben ausfülle.
„Ja – “, sagte Georg bloß und verstummte sofort wieder. Ich hatte den Eindruck, daß es etwas gab, worüber er sich nicht äußern wollte, nämlich seine wirtschaftliche Lage.
Ich kann nicht leugnen, daß ich mich etwas wunderte. Gewiß war die Stellung eines Verkäufers in einer Eisenhandlung nicht gerade so glänzend, daß man dabei reich werden konnte. Aber verschiedene Kleinigkeiten deuteten doch darauf hin, daß Georg und Lisbeth ein mehr als bescheidenes Leben führten. Ich hatte das Gefühl, daß Georg Not litt. Er wirkte einfach ärmlich.
Natürlich mochte ich nicht fragen. Vielleicht würde ich die Lösung dieses Rätsels eines Tages ganz von selber erfahren.
Als Lisbeth mit roten Backen und blanken Augen aufwachte, schlug ich einen Kinobesuch vor. Ich wußte, wo gerade ein lustiger Zeichentrickfilm lief.
Obwohl Lisbeths Bettzeit längst überschritten war, nahm Georg meine Einladung an. Heute war Lisbeths Tag. Wir mußten in ihn alles hineinpressen, was ihr Freude und Vergnügen bereiten konnte.
Als wir dann in einem Taxi in die Vorstadtstraße fuhren, von der ich nie in meinem Leben etwas gehört hatte, schlief Lisbeth, den Kopf an meine Schulter geschmiegt.
2
Der Fernsprecher läutete.
„Kann ich Fräulein Sagen sprechen?“
„Ist am Apparat.“
„Mein Name ist Carl Lövold. Man hat Sie mir als Dolmetscherin empfohlen. Könnten Sie sich einen Tag für mich freihalten?“
„Ja – “ antwortete ich zögernd. „Gewiß könnte ich das. Aber um was….“
„Die Sache ist die, daß ich den Besuch eines Geschäftsfreundes erwarte. Er ist Portugiese und spricht außer seiner Muttersprache nur noch etwas Französisch. Ich selber muß gestehen, daß meine französischen Sprachkenntnisse äußerst gering sind. Portugiesisch verstehe ich überhaupt nicht. Ich habe mit meinem Geschäftsfreunde einige Verhandlungen zu führen und werde ihn wahrscheinlich einladen müssen, irgendwo mit mir zu essen. Könnten Sie als Dolmetscherin dabeisein?“ Ich mußte lächeln. Was für merkwürdige Aufträge man doch bisweilen bekam! Aber weshalb nicht? Herrn Lövolds Stimme klang ungewöhnlich sympathisch. Und es war doch schließlich eine kleine Abwechslung. Auf der Schreibmaschine tippen konnte ich immer noch mehr als genug. Und vielleicht fand sich eine Gelegenheit zu einer kleinen privaten Plauderei mit dem Portugiesen. Wie lustig, wenn wir am Ende gar gemeinsame Bekannte hatten!
Ich suchte meiner Stimme einen geschäftsmäßigen Klang zu verleihen.
„Jawohl. Das ließe sich machen. Wann soll ich kommen und wohin?“
Wir vereinbarten Zeit, Ort und Honorar. Ich nannte eine hübsche runde Summe, als er mich fragte, wieviel ich verlange. Er sollte das Gefühl haben, daß meine Zeit kostbar wäre.
Er schien sich über meine kecke Forderung gar nicht zu wundern. Er sagte nur: „Einverstanden!“ und wiederholte dann: „Also um eins.“
Ich war in einem neuen weißen Kostüm und mit dem Bananenhut auf dem Kopfe pünktlich zur Stelle.
Ich hatte ein leichtes Herzklopfen, als ich auf das Grandhotel zuschritt, wo ich Herrn Lövold treffen sollte.
Angenommen, er war ein ekelhafter alter Fettkloß, der nur deshalb bei mir angerufen hatte, weil ihm irgendwie zu Ohren gekommen war, ich wäre jung und mache eine gute Figur, und weil er auf seinen Geschäftsfreund mit einer jungen, gut aussehenden Begleiterin Eindruck machen wollte!
Ich hätte mir das Herzklopfen sparen können. Herr Lövold machte einen so guten Eindruck, daß man sich überall mit ihm zusammen sehen lassen konnte. Er mochte Anfang der
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