Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz
Dreißiger sein und war ziemlich groß, breitschultrig und tadellos angezogen. Er hatte vollendete Umgangsformen und eine Stimme, die ohne die leichte Verfälschung durch den Fernsprecher noch sympathischer klang.
Er machte keinen Versuch, mir irgendwelche Artigkeiten zu sagen, während wir auf den Portugiesen warteten. Er war höflich und liebenswürdig, aber völlig sachlich. Er gefiel mir.
Und dann kam der kleine, schwarzäugige Portugiese. Die beiden Herren tauschten in einem höchst mangelhaften Französisch ein paar allgemeine Bemerkungen aus, worauf ich mich einschaltete und ihnen über alle Schwierigkeiten hinweghalf.
Herr Lövold besaß in Bergen ein größeres Geschäft, das sich mit der Ausfuhr von getrockneten Fischen befaßte. Die beiden Herren verhandelten über grauenhaft langweilige Dinge.
Ich gewann einen tiefen Einblick in das Geheimnis des Großhandels mit getrockneten Fischen, und sehr schnell ging es mir auf, daß Herr Lövold auf diesem Gebiet ein mächtiger Mann war. Er schien sehr wohlhabend und ein tüchtiger Geschäftsmann zu sein.
Als die Verhandlungen abgeschlossen waren, lud er den Portugiesen zum Essen ein. Nun wurde die Unterhaltung lebhafter, wozu die auserlesenen Speisen und vortrefflichen Weine wohl nicht wenig beitrugen. Plötzlich schienen die beiden Herren die Entdeckung zu machen, daß ich nicht nur eine Art Sprechautomat, sondern auch eine ganz annehmbare Vertreterin des schwachen Geschlechts war. Ich bekam sowohl auf norwegisch wie auf portugiesisch allerlei Artigkeiten zu hören, hielt es aber nicht für erforderlich, sie aus der einen Sprache in die andere zu übersetzen.
Endlich erklärte der Portugiese, er müsse sich nun leider verabschieden, da er noch eine Verabredung habe. Wir stiegen in Herrn Lövolds Wagen, mit dem er von Bergen gekommen war, und brachten den Portugiesen zur Untergrundbahnstation .
„Das wäre erledigt!“ sagte Herr Lövold lächelnd, als sein Geschäftsfreund abgefahren war. „Vielen Dank für Ihre Hilfe, Fräulein Sagen! Was hätte ich ohne Sie wohl machen sollen?“
Es war ein wundervoller Maiabend.
So kam es, daß wir nach Bygdö fuhren.
Die Luft war weich und mild. Über den Bäumen hingen die ersten hauchdünnen hellgrünen Schleier.
Als wir an unserem Ziel anlangten, wären wir beinahe in eine Schar von Kindern hineingefahren, die einen Ausflug gemacht hatten.
Es waren sehr kleine Kinder mit Butterbrotdosen und Milchflaschen. Manche von ihnen sahen müde und verdrossen aus. Sie hatten wohl einen langen, anstrengenden Tag hinter sich.
Plötzlich zuckte ich zusammen.
„Lisbeth!“
Lisbeth wandte sich um. Ihr Gesicht strahlte.
„Steffi! Guten Tag! Und vielen Dank noch für alles!“ Ihre warme kleine Hand schob sich in meine und drückte sie.
„Machst du einen Ausflug, Lisbeth?“
„Ja. Wir haben Leberblumen gepflückt. Sieh den Strauß hier! Den soll Vater haben. Er ist krank.“
„Was sagst du? Vater ist krank? Liegt er zu Bett?“
„O nein. Er ist jeden Tag im Geschäft. Aber er legt sich hin, sobald wir gegessen haben. Er sagt, er wird bald wieder gesund. Es ist nichts von Bedeutung.“
Die Kinder sollten auf die Fähre. Eine „Tante“ oder „Schwester“, oder was sie nun war, rief und kommandierte und trieb die Kinder zur Eile an, bis sie sie endlich alle glücklich an Bord hatte. Ich hatte gerade noch Zeit, Lisbeth schnell die Hand zu drücken und ihr einen Gruß an den Vater aufzutragen.
Ich blickte ihr nach, als sie auf die Fähre ging, und sah sie dann in ihrer abgetragenen Matrosenbluse an der Reling stehen. Für einen Tag wie diesen mußte ihr Kleid viel zu schwer und zu warm sein.
Inzwischen hatte Carl Lövold in dem Restaurant Champagner und Kaviar bestellt. Ich war daran gewöhnt, gut zu essen und zu trinken. Ich kannte es nicht anders. Aber noch nie in meinem Leben hatte ich darüber nachgedacht, was für einen Wert das Geld darstellte, das man für Champagner und Kaviar bezahlen mußte. Es kam dabei eine Summe heraus, die zum Beispiel ausgereicht hätte, um dafür ein Paar Schuhe und ein Sommerkleid für Lisbeth zu kaufen – oder auch die Schlafzimmervorhänge, die sie und Georg so gern gehabt hätten.
„Zum Wohle unseres Freundes, des Portugiesen!“ sagte Carl Lövold, sein Glas erhebend. „Ich bin ihm wirklich dankbar.“
„Dazu haben Sie wohl auch alle Ursache“, sagte ich. „Sie haben mit ihm ja genauso abgeschlossen, wie Sie es gewünscht hatten.“
„Daran dachte ich in diesem
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