Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz
Apfelsinen.
Ich schlief sofort ein.
Den Besuch bei Lisbeth mußte ich auf ein andermal verschieben.
Je länger die Arbeit sich hinzog, desto verzagter wurde ich.
Am Anfang – als ich für Rambech zu arbeiten begonnen hatte – war mir alles so einfach vorgekommen. Aber schon bald ging es mir auf, wie kläglich wenig ich wußte. Gewiß: Mein Verleger war mit mir zufrieden; aber er ahnte nicht, wie es in Wahrheit um meine Kenntnisse stand. Ich konnte allerlei Sprachen. Doch nur, soweit es sich um Ausdrücke des Alltagslebens handelte. Sobald in den zu übersetzenden Büchern etwas von Geschichte, Kulturgeschichte, Geographie – von Physik, Technik, Astronomie, Naturgeschichte ganz zu schweigen – vorkam, wurde ich mir der vielen Lücken in meinem Wissen bewußt. Wenn Herr Rambech geahnt hätte, wie viele Nachschlagewerke und Lexika ich für meine Arbeit benötigte!
Oft kam mir der Gedanke, wie schade es doch sei, daß ich keinen richtigen Schulunterricht genossen hatte. Zwar war es mir wie durch ein Wunder geglückt, eine Art Mittelschulexamen zu bestehen. Aber wie herrlich wäre es gewesen, wenn ich das Abitur gemacht, vielleicht gar studiert hätte!
Eins war jedenfalls sicher: Die Arbeit fiel mir viel schwerer als am Anfang, wo ich verhältnismäßig leichte Bücher zu übersetzen gehabt hatte, bei denen es in erster Linie darauf angekommen war, daß ich meine Muttersprache beherrschte. Natürlich hatte ich mit der Zeit Übung bekommen; aber das nützte herzlich wenig, wenn es sich um Dinge handelte, die über das Alltägliche hinausgingen. Dann quälte ich mich ab und schwitzte über meinen Nachschlagewerken.
Und alle Augenblicke läutete das Telefon. Es läutete, wenn ich mitten in der Arbeit war, es läutete spät am Abend und früh am Morgen – es läutete, wenn ich unter der Dusche stand, es läutete, wenn ich zu Mittag aß, es läutete, wenn ich schlief, und immer hieß es: „Sie werden aus Bergen verlangt!“
Beinahe jeden Tag rief Carl an. Jeden Samstag schickte er mir Konfekt oder Blumen. Je mehr Zeit verging, desto mehr freute ich mich darauf, ihn wiederzusehen.
Im Grunde wußte ich recht wenig von ihm. Er hatte mir erzählt, er habe sich scheiden lassen. Er besaß eine Villa bei Bergen, ein Sommerhaus am Meer und eine Hütte im Gebirge. Eines Tages besuchte mich Anne-Grete. Ich lud sie zu einer kleinen Spritzfahrt mit Carls Wagen ein. Ich war schon lange nicht mehr gefahren und hatte zuerst etwas Angst; aber das gleichmäßige Summen des Motors, die leichte Steuerung und die glatte, lautlose Gangschaltung bewirkten, daß ich mich schon bald sicher fühlte. Es war ein wundervoller kleiner Ausflug, und Anne-Grete gestand, daß ihr der Wagen mächtig imponiere.
Ich erzählte ihr von Carl. Sie hörte mit großem Interesse zu. Anne-Grete hatte selber einen Freund, an dem sie sehr hing.
„Du hast ein unverschämtes Glück, Steffi“, sagte sie lachend, als ich geendet hatte. „Wenn schon einmal eine Mannsperson auf dich Eindruck macht, dann muß es natürlich gleich eine mit einer Stadtvilla, einem Sommerhaus und einem Luxusauto sein. Ist er ebenso sympathisch wie reich?“ – „O ja“, antwortete ich.
„Und eine Berghütte besitzt er auch noch?“ sagte Anne-Grete. Vielleicht dachte sie an ihren Erkorenen, der in irgendeinem Büro saß und dreihundert Kronen im Monat verdiente. „Du verstehst es! – Ich hoffe, du wirst Geilo deshalb doch nicht für dieses Jahr schießen lassen?“
Anne-Grete und ich pflegten im Sommer immer nach Geilo zu fahren und unsere Ferien in der Berghütte zu verleben, die Vater gemietet, aber nie selber betreten hatte.
„Natürlich nicht!“ beruhigte ich Anne-Grete. „Du kommst doch wieder mit?“
„Ja, gern – das weißt du ja – “, sagte Anne-Grete.
Sie sparte für ihre Aussteuer und war daher sehr froh, auf diese Weise zu einem kostenlosen Ferienaufenthalt zu kommen. Übrigens verstanden wir uns beide ganz ausgezeichnet.
Der Ausflug mit Anne-Grete hatte mich auf den Geschmack gebracht. Ich benutzte von jetzt ab den Wagen täglich und hatte mich schon bald daran gewöhnt, ihn sicher durch den Großstadtverkehr zu lenken. In Lissabon war ich viel gefahren, und es machte mir Spaß, feststellen zu können, daß ich meine alten Künste noch nicht verlernt hatte. Jetzt wollte ich aber auch endlich einmal Lisbeth mitnehmen.
Ich hatte, offen gestanden, in den letzten Wochen nicht eben viel an sie gedacht. Carl, das Auto und meine Arbeit hatten meine
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