Braut der Nacht
abgesetzt hatte, lehnte er sich von außen gegen die Glastüren, um dadurch wirkungsvoll den einzigen Ausgang zu versperren. Arsch.
Ich ging schnurstracks ins Badezimmer.
Im Spiegel begutachtete ich meinen Hals. Der Schnitt sah oberflächlich aus, und das blutige Rinnsal wurde bereits langsamer. Ich suchte nach Verbandszeug. Was ich fand, war ein Waschlappen, den ich dazu benutzte, um mir so gut wie möglich das Blut von der Haut zu waschen. Dann betupfte ich das geronnene Blut, das am Mieder meines Kleids klebte, aber es war vergebliche Liebesmüh– das Kleid war nicht mehr zu retten.
Ich drehte die Wasserhähne voll auf und spähte vorsichtig aus der Badezimmertür. Ronco stand immer noch mit dem Rücken zum Zimmer, ohne mir irgendwelche Aufmerksamkeit zu schenken. Gut. Nachdem ich die Tür geschlossen und verriegelt hatte, zog ich mich in die Ecke des Badezimmers zurück und flüsterte Gils wahren Namen. Beim dritten Mal färbte Magie die Luft, und sie erschien in der Badewanne. Sie musterte zuerst mich und dann das kleine Zimmer, bevor sie zu sprechen anfing.
»Hat ja lange genug gedauert«, flüsterte sie. »Bobby hat das Warten schon vor Stunden aufgegeben. Er durchkämmt die Stadt auf der Suche nach dir.«
»Na, dann ist es ja gut, dass er mich nicht gefunden hat. Ich hätte nie gedacht, dass ich dich jemals darum bitten würde, aber schleudere mich ins Nichts und bring mich verdammt noch mal hier raus!«
Sie blinzelte mich verdutzt an. »Dir ist schon bewusst, wie kurz vor der Dämmerung es ist?«, fragte sie. Als ich nickte, runzelte sie die Stirn. »Wo ist Nathanial?«
»Beschäftigt. Lass uns gehen.«
Diesmal zögerte sie nicht, sondern legte mir eine Hand auf die Schulter. Dann versank die Welt um uns.
Meine Augen hatten sich noch nicht an das Licht in der Gasse gewöhnt, als Bobby mich auch schon in eine enge Umarmung riss. Ich schob ihn von mir, nicht nur, weil er eine Gefährtin hatte, die nicht ich war, sondern auch weil er schrecklich gut roch. Und das nicht wie ein sexy Typ, sondern wie ein leckeres Steak. Ich musste mehr Blut verloren haben, als ich dachte.
»Was ist passiert? Wo warst du? Bist du okay?«, wollte Bobby wissen, ohne mich loszulassen. Als sein Blick auf meinen Händen landete, blieben ihm die weiteren Fragen im Hals stecken. »Du hast Pfoten?«
Missmutig runzelte ich die Stirn. »Ich bin zu schwach, um sie jetzt zurückzuverwandeln.«
Gil trat näher und starrte mich an. »Du kannst sie jetzt absichtlich verwandeln? Wann ist das denn passiert?« Sie zauberte ihre Schriftrolle aus der Luft.
»Das ist neu, völlig irrelevant und nicht notwendigerweise absichtlich.« Ich versteckte die pfotenähnlichen Hände in den Falten meines Kleids. »Wir müssen einen Plan aufstellen, wie wir nach den anderen Männern suchen sollen, die ich vielleicht gezeichnet habe. Ich bin mir nicht sicher, wann ich wieder in der Lage sein werde, mich wegzuschleichen, und…«
»Ich habe schon einen gefunden.«
Mein nächstes Wort schien mir nachgerade auf den Lippen zu gefrieren, und ich drehte mich zu Bobby um und starrte ihn an. »Was?«
»Ich habe einen der Shifter gefunden. Er ist kein Jäger. Sein Geruch stammt nicht von Firth. Er ähnelt dem der Einzelgänger, die wir vorher verfolgt hatten. Ein Stadt-Shifter.«
Irritiert sah ich ihn an. Also gab es tatsächlich noch weitere. Und er hatte einen davon gefunden. Was großartig war. Glaube ich zumindest. »Hast du…?«
»…ihn getötet?« Bobby schüttelte den Kopf. »Wir wissen nicht, ob er ein gefährlicher Einzelgänger wurde oder nicht. Ich habe die Gegend ausgekundschaftet und gewartet, ob er sich aus seinem Versteck wagen würde, aber als ich losging, um Gil zu treffen, hatte er sich noch nicht gezeigt.«
Bobby strahlte mich an, dass seine hellen Augen im trüben Licht der Straßenlaterne funkelten. Er war eindeutig begeistert darüber, der Überbringer guter Nachrichten zu sein. Und das hier waren doch gute Nachrichten, oder? Ich meine, wir mussten nicht losziehen und den Shifter aufspüren, wir wussten bereits, wo er war.
Zu einfach. Nichts ging je einfach, ohne dass die Sache einen Haken hatte.
Ich versuchte, Bobbys Optimismus zu teilen, aber ich konnte mich einfach nicht dazu durchringen. Also schenkte ich ihm ein schwaches Lächeln und starrte in den Nachthimmel. Es war immer noch dunkel, ohne eine Spur der heller werdenden Morgendämmerung, aber ich konnte spüren, dass sie näher rückte wie ein allmählich schwerer
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