Braut der Nacht
groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass er ein willkürliches Opfer ist und ich nur rein zufällig das Pech hatte, die letzte Person zu sein, die mit ihm gesehen wurde? Ich hatte zwar das Pech einer schwarzen Katze, aber diese letzte Bombe war wirklich einfach zu viel. Und es werden zu viele Leichen.
Der Kopf des Generals auf einem Silbertablett bewies, dass derjenige, wer auch immer in Haven gemordet haben mochte, mit uns nach Demur gekommen war. Und ich kenne da jemanden mit genug Gift und einem schönen scharfen Schwert. Die Frage war, wie konnte ich beweisen, dass Akane hinter den Morden steckte? Und hat sie dabei Unterstützung?
Luna war ausgesaugt worden. Das deutete darauf hin, dass ein Vampir daran beteiligt war. Nachdenklich marschierte ich schneller auf und ab. Ich musste aus diesem Zimmer raus. Es wäre nützlich, wenn ich mir den Kopf des Generals einmal genauer anschauen– und beschnuppern könnte. Vielleicht würde ich etwas finden, das bewies, wer ihn getötet hatte. Verdammt schade, dass ich nicht Bobby anrufen konnte, oder noch besser Degan. Mit seiner Spürnase könnte Degan die Leiche des Generals wahrscheinlich finden. Den Wachen zufolge hatten die Fähigkeiten des Generals etwas mit Heilungskräften zu tun gehabt. Angeblich war er nahezu unzerstörbar gewesen, es sei denn, man zerstückelte ihn und verstreute seine Körperteile in alle Himmelsrichtungen. Wenn wir seinen Körper aufspürten und ihm den Kopf wieder aufsetzten, dann könnte er uns vielleicht sagen, was ihm zugestoßen war. Doch solange er bloß ein Kopf war, konnten wir nicht allzu viel tun.
Ich blieb stehen.
Ich kannte jemanden, der einen Kopf zum Sprechen bringen konnte. Avin. Natürlich schuldete ich ihm immer noch etwas für den letzten Schädel, den er wiederbelebt hatte– und ich hatte nicht die Absicht, ihn zu bezahlen. Es war aber ziemlich unwahrscheinlich, dass er mir aus der reinen Güte seines toten, nicht schlagenden Herzens helfen würde.
Ich nahm meine Wanderung wieder auf. Die Sammlerin war äußerst aufgebracht über die Morde. Was würde sie dafür geben, den Mörder zu finden? Würde sie Nathanial und mir die Freiheit geben? Würde sie ihm Demur geben? Würde er das überhaupt wollen? Wenigstens würde das unser Problem mit Tatius lösen. Aber kann er eine Stadt leiten?
Ich hatte keine Ahnung.
Unauffällig warf ich einen Blick zu ihm hinüber. Während ich nicht stillhalten konnte, war Nathanial im Gegenzug beinahe zur Salzsäule erstarrt. Er saß im Sessel in der Ecke, die Nase in einem Buch vergraben. Er blickte nicht hoch, als ich ihn musterte. Tatsächlich hatte er mich nicht angesehen, seit wir in unserem Zimmer angekommen waren.
Dafür sollte ich eigentlich dankbar sein. Er bedrängte mich nicht. Er gab mir Freiraum. Aber ich wusste aus seinen Gedanken, dass er Angst hatte, ich könnte weglaufen.
Und ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte. Nicht im Geringsten. Ich wusste nicht einmal, was ich fühlte. Und im Augenblick war ich zu angespannt, um es herauszufinden.
Ein großer Teil dieser Anspannung rührte von Avins Zauber her, das wusste ich, aber dieses Wissen machte es nicht einfacher, die Anspannung zu ignorieren. Stattdessen machte sie mich wütend und brachte mich dazu, mir einen Weg durch die Wand brechen oder mit den Vampiren um meine Freiheit kämpfen zu wollen. Nicht dass eines davon eine akzeptable Möglichkeit wäre.
Etwas krachte im Badezimmer, gefolgt von einem vertrauten Aufschrei. Ich erstarrte. Wie in Zeitlupe drehte ich mich zur Tür und zu meinen Wachen um. So, wie sie mich anstarrten, hatten sie den Lärm offensichtlich gehört. Ich zuckte mit den Schultern und warf ihnen ein beschämtes Lächeln zu. Sie wechselten einen Blick, dann schüttelte Ronco den Kopf, bevor sie sich beide wieder umdrehten. Dem Mond sei Dank.
Schon eilte ich durch das Zimmer und zwang mich, langsamer zu werden, bevor ich das Bad erreichte.
Nathanial stand auf, als ich die Hand auf den Türknauf legte. Seine Augen verengten sich, und der Zug um seine Lippen schrie mir regelrecht entgegen, vorsichtig zu sein. Nach einem kurzen Augenblick sagte er: »Das Kartenhaus, das ich uns errichte, ist bestenfalls wacklig, ganz besonders in Anbetracht jüngster Ereignisse.«
Stimmt, die Verhandlungen liefen nicht so gut. Das wusste ich, und ich würde vorsichtig sein, aber wenn ich nicht hineinging, um nachzusehen, was Gil wollte, dann konnte es leicht passieren, dass sie aus dem Badezimmer herauskam, um nach
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