Braut der Nacht
»Der Leichnam meines Stellvertreters ist immer noch verschwunden. Wenn das Chamäleon des Puppenspielers nichts davon weiß, dann ist es unwahrscheinlich, dass er darin verwickelt ist. Somit fällt die Schuld auf dein Gefolge oder deinen neuen Günstling. Ich verlange seinen Leichnam– und Entschädigung.«
Die Sammlerin blieb stehen. »Ich werde deine Unbeherrschtheit nicht länger ignorieren, Kind. Reiz mich nicht, denn ich bin in äußerst übler Stimmung.«
»Ich ebenso.« Aphrodites Augen wurden schwarz. Sie hob die Hand, als greife sie nach etwas, das sich vor ihr befand. »Ich sehe deine Angst. Ich kann sie beinahe schmecken.« Sie schloss die Finger zur Faust. »Hast du Angst vor mir, Sammlerin? Oder davor, dass deine Pläne aus dem Ruder laufen?«
Aphrodites Macht wogte durch den Raum. Sie brach aus ihr heraus wie eine Alphawelle, brandete über die anwesenden Vampire hinweg und fühlte sich ach so vertraut an. Sie rief mich. Rief meine Energie. Aber nein, mein erster Eindruck war falsch. Die Macht war nicht im Geringsten wie eine Alphawelle. In der Energie, die den Raum erfüllte, schwang nichts von Firth. Sie war durch und durch vampirisch. Sie ist eine Betörerin.
So wie ich.
Ich spürte, wie sich meine Pupillen weiteten, und wusste, dass meine Augen vampirschwarz wurden. Ich konnte nichts dagegen tun. Konnte es nicht verhindern. Meine Fähigkeit antwortete ihrer Energiewelle und stieg an die Oberfläche.
Wo es einen Augenblick zuvor noch so ausgesehen hatte, als vollführe Aphrodite eine leere Geste in der Luft, sah ich nun den dünnen gelben Faden aus Emotion, der hinter der Sammlerin hergeweht war. Aphrodite verstärkte ihren Griff um den Faden, und ihre Macht erfüllte den Raum. Der kränklich gelbe Faden wurde dicker und schlang sich um den Leib der Sammlerin.
Angst.
Ich wusste es. Beinahe konnte ich ihre herbe Säure schmecken. Aphrodite legte mehr Macht in den Strang, und die Sammlerin sackte leicht zusammen. Die Angst schnürte sie ein wie eine riesige Schlange.
»Ergib dich mir«, befahl Aphrodite und verband ihre Worte, ihren Willen mit dem Faden.
»Du bist eine Närrin.« Die Stimme der Sammlerin grenzte an Panik, was die Angst um sie herum nur noch nährte, aber ihre Augen wurden groß, wild. Und vampirschwarz.
Ein Schimmer von Gelb legte sich um Aphrodite, als ihre eigene Angst an die Oberfläche stieg. Aber sie gab den Faden der Sammlerin nicht frei. Die Luft wurde schwer vor Macht. Die Vampire wichen zurück, gelbe Angst troff wie Schweiß von ihnen. Nathanial zog mich an den Schultern, aber ich konnte mich nicht bewegen. Konnte nicht wegsehen und hielt den Atem an.
Aphrodite schrie auf. Ein schwarzer Faden der Wut griff nach der Sammlerin, um Aphrodites Macht zu stärken.
Es war nicht genug.
»Auf die Knie!«, befahl die Sammlerin. Ihre Stimme war leise, aber stahlhart.
Aphrodites Anstrengungen zerplatzten in einem Dutzend Farben um sie herum. Ihre Muskeln verkrampften sich, und sie biss die Zähne zusammen, als sie gegen den Befehl ankämpfte.
Sie verlor.
Die Knie gaben unter ihr nach. Dunkelheit ergoss sich aus ihr, bis ich darunter ihr blondes Haar nicht mehr erkennen konnte. Der Faden aus Angst entglitt ihren Fingern, schrumpfte und verschwand. Aphrodites Hände sanken schlaff herab, und sie ließ den Kopf hängen, die Augen auf den dicken Teppich gerichtet.
»Gut. Und nun bleib so. Edlin, Alion«, wandte sich die Sammlerin an die Zwillinge. »Stellt eine Liste von Vampiren zusammen, die dafür geeignet sind, die Herrschaft über Demur zu übernehmen.« Dann stürmte die Sammlerin ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer.
Kapitel 25
D em Abgang der Sammlerin folgte betäubtes Schweigen. Aphrodite kniete immer noch auf dem Boden, unfähig, nicht zu gehorchen. Ein Duell der Willensstärke. Und sie hatte verloren.
Ihre übrigen Ratsmitglieder blickten in die Runde, eindeutig unsicher, was das nun für sie bedeutete. Die Herrin ihrer Stadt war soeben entthront worden. Werden sie sich zerstreuen, oder rücksichtslos miteinander um die Macht ringen? Niemand schien sich dessen sicher zu sein, während sie ratlos im Zimmer umherliefen. Ein paar von ihnen entschuldigten sich. Das Einzige, worin sich alle Vampire einig zu sein schienen, war, dass niemand Aphrodite helfen würde.
Nathanial legte mir den Arm um die Schultern, um mich sanft fortzuziehen. Bei seiner Berührung zögerte ich erst, ließ mich dann aber von ihm in eine Ecke des Zimmers führen. Das Bedürfnis, mich
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