Braut der Nacht
waren nicht schlimm. Morgen früh würden sie wieder verheilt sein. Da hatte ich mit Sicherheit schon schlimmere gehabt.
Tatius runzelte die Stirn.
Nathanial trat zwischen mich und die Couch und legte mir die Hände auf die Schultern, doch seine Berührung war zaghaft, fühlte sich an wie von einem Vogel, der jederzeit wieder davonfliegen könnte. »Ich werde beide Angelegenheiten regeln. Bitte. Lass mich sie wiederherstellen.«
Ich schluckte. Der Kratzer war nicht der Rede wert, wirklich, aber mir gefiel nicht, wie er wiederherstellen sagte– als glaube Tatius vielleicht, ich wäre kaputt. Ich sah nach unten und erhaschte einen Blick auf den langen Dolch, den Tatius am Oberschenkel trug. Ich war nicht unwiederherstellbar. Ich lehnte mich an Nathanial, und das Gewicht seiner Hände auf meinen Schultern wurde sicherer. Seine Finger schlossen sich um meine Oberarme. Wenn ich gewusst hätte, dass all das passieren würde, dann hätte ich einfach auf der Veranda sein Blut genommen. Wirklich, ich hätte es zumindest in Betracht gezogen. Verdammt.
Ich öffnete den Mund, um mich zu entschuldigen, doch dann klappte ich ihn wieder zu. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Stattdessen sagte ich zu Tatius: »Ich dachte, du redest die ganze Zeit nur davon, dass ich menschliches Blut brauche.«
Sein Stirnrunzeln vertiefte sich. »Du könntest dich an so viel Menschenblut satt trinken, wie du nur schlucken kannst, und es würde dir überhaupt nichts nützen, weil du das Blut nicht in Energie verwandeln könntest. Dazu brauchst du einen Grundstock an Meistervampirblut in deinem Körper, und ein junger Körper wie deiner produziert dies nicht. Du musst von einem Meister genährt werden, um zu überleben.«
»Ich werde sie wiederherstellen«, sagte Nathanial erneut, dabei zog er mich enger an sich.
Tatius betrachtete uns, doch schließlich schüttelte er den Kopf. »Nein.«
Nein. Vier kleine Buchstaben. Ein einziges, die Welt erschütterndes Wort.
Hinter mir versteifte sich Nathanial und grub die Finger so heftig in meine Arme, dass ich davon weitere blaue Flecken bekommen würde. »Tatius…«
»Ich sagte Nein. Du hattest deine Chance. Und jetzt geh!«
Kapitel 6
G eh, Eremit!«, befahl Tatius erneut.
Einer nach dem anderen lösten sich die Finger von meinem Arm. Nathanial trat zurück. Sein Rückzug ließ einen kalten Abgrund hinter mir aufklaffen, und ohne seine Anwesenheit kroch Panik in die frisch entstandene Kluft.
Er wird nicht wirklich gehen. Oder?
Mein Herzschlag pochte mir dröhnend in den Ohren. Ich wollte mich zu Nathanial umdrehen, doch Tatius’ Hand an meinem Hals hielt mich fest. Die Hände am Körper zu Fäusten geballt wand ich mich in Tatius’ Griff. Erneut glitt mein Blick zu dem Dolch an seinem Oberschenkel. Er hatte gesagt, falls ich ihn noch einmal schlug, würde er zurückschlagen, aber wenn er sowieso vorhatte, mich umzubringen…
Ich spannte den Arm an und holte zum Schlag aus.
Finger schlossen sich um meine Faust, und Nathanial trat seitlich in mein Blickfeld.
»Sei ruhig, Kätzchen.« Die geflüsterten Worte waren sanft, aber sein Griff war fest, und er hatte die Schultern gestrafft.
Mit hochgezogener blauer Augenbraue sah Tatius Nathanial an. »Ich sagte, du sollst gehen.«
Nathanial ging nicht. Er hauchte einen Kuss auf meine Faust, dann ließ er sich auf die Couch sinken und blieb.
»Sei’s drum«, sagte Tatius, hob sein Handgelenk an die Lippen und biss tief zu. Dann hielt er es mir hin. »Trink!«
Ich wollte nicht. Ich war mir sicher, dass ich nicht wollte. Doch als Tatius mich näher an seinen Körper und sein blutendes Handgelenk zog, schlossen sich meine Lippen wie von selbst um die kleinen Einstichwunden.
»Beiß mich nicht«, flüsterte Tatius drohend in mein Haar.
Das hatte er mir auch beim letzten Mal gesagt, als er mir sein Blut aufzwang.
Ich trank gierig. Als sich der Pulsschlag seines Bluts verlangsamte, zog ich mich zurück. Der süße, kupfrige Geschmack verwirrte meine Sinne, erfüllte meinen Körper mit neuer Wärme. Auf der Suche nach verirrten Tropfen schnellte meine Zunge zwischen den Lippen hervor. Tatius verstärkte seinen Griff an meinem Nacken.
»Trink mehr!«, befahl er und hob sein Handgelenk erneut.
Mein Blick fiel auf die beinahe verheilten Wunden. Fluchend riss er sich die Haut wieder auf, diesmal stärker. Es sah schmerzhaft aus, aber er schob mir das blutende Handgelenk einfach erneut vors Gesicht.
Ohne dass ich meine Fangzähne einsetzte,
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