Braut der Nacht
ich.
Als ich zuvor das Refugium verlassen hatte, hatte Tatius davon gewusst. Er hatte mir gesagt, dass er mich »spürte«. Mir fehlte dieser seltsame Vampirsinn, aber Nathanial fand mich jedes Mal. Was würde also Tatius davon abhalten?
»Er wird unserer Bindung folgen«, flüsterte ich. Ich wusste, dass meine Augen weit aufgerissen waren, wusste, dass sie eine Angst zeigten, von der ich wünschte, sie würden es nicht tun.
Nathanial schüttelte den Kopf. »Nein. Wir haben deinen Grundvorrat an Blut ausgetauscht, Kätzchen. Vollständig. Sein Blut ist nicht länger in dir. Er hat keine Bindung mehr zu dir.«
»Oh.« Das änderte alles, oder nicht? Nein, denn wenn wir in der Stadt waren, dann würde Tatius uns finden, irgendwann. Er hatte Vollstrecker, Agenten, Spione. Und er würde Nathanials Illusionen durchschauen– das hatte er bereits bewiesen. Wir konnten uns nicht verstecken. »Was jetzt? Laufen wir davon?«
»Ich weiß es nicht.« Nathanial sank neben mir auf den Boden. Er lehnte sich an den Rand der Wanne, und da er neben der Wanne saß und ich darin, befanden wir uns auf gleicher Höhe. Unsere Schläfen berührten sich, und wir schmiegten unsere Köpfe aneinander. So saßen wir schweigend da. Gefährten in der Ungewissheit.
Bei dem Gedanken versteifte ich mich. Wenn Tatius’ Einfluss mit meinem Blut aus meinem Körper geflossen war… »Dann ist meine Bindung an dich ebenfalls gebrochen?«
Ich hörte Nathanial seufzen, was eine ungewöhnlich menschliche Regung für ihn war. »Nein«, antwortete er nach einem kurzen Augenblick. »Mein Blut hat dich neu geschaffen, als du ein Vampir wurdest. Es ist ein Teil dessen, was du bist. Um dich vollständig an sich zu binden, hätte Tatius dir genug Blut geben müssen, um dich noch einmal neu zu schaffen. Dazu hatte er nicht die Gelegenheit.«
Also war Tatius’ Einfluss fort, und ich war jetzt wieder die Gefährtin von Nathanial. Nur Nathanial. Ein flatterndes Gefühl befiel meine Eingeweide und ließ mein Herz ein wenig zu schnell schlagen.
»Außerdem«, sagte er, »wärst du nicht bei klarem Bewusstsein, wenn dir jegliches Meisterblut fehlte. Ich habe dir ein wenig davon gegeben, als du noch… nicht bei dir warst. Aber du brauchst mehr, um deine Kraft wiederzuerlangen.«
Genau. Diese Unterhaltung wurde allmählich ein wenig zu surreal. Ich musste aus dieser Wanne raus. Ich brauchte eine Dusche. Saubere Kleidung. Etwas mit dem Anschein von Normalität. Angestrengt bemühte ich mich aufzustehen.
Plötzlich waren Nathanials Hände auf mir, und er zog mich an den Unterarmen hoch. Einen Atemzug lang stand ich unsicher auf den Beinen. Dann gaben meine Knie nach, und nur Nathanials Hände hielten mich noch aufrecht. Das ist lächerlich. Ich hatte haufenweise Blut im Körper. Mein Magen fühlte sich prall an von all dem Blutplasma, das Nathanial mir aufgezwungen hatte. Mir war kalt, aber ansonsten gab es nichts, womit ich nicht klarkam. Ich kann wenigstens allein stehen. Mir das Blut abwaschen.
Ich konzentrierte mich und schaffte einen Schritt vorwärts, bevor ich wieder in Nathanials Armen zusammensackte. Er zog mich aus der Wanne, dann hielt er mich eng umschlungen, was nicht nötig war, um mir dabei zu helfen, aufrecht stehen zu bleiben, aber es war offensichtlich, dass ich nirgendwo allein hingehen konnte. Jedenfalls nicht in absehbarer Zeit.
»Kannst du mich in der Dusche absetzen?«, fragte ich, wohl wissend, dass das bedeutete, dass er mich später wieder holen kommen musste.
Ich wollte ihm meinen unverletzten Arm um den Hals legen, doch als ich seine Schulter berührte, sickerte flüssige Wärme über meine Handfläche. Ich erstarrte. Blut? Ich zuckte zurück und schob vorsichtig wegen meiner Krallen den zerfetzten Stoff von Nathanials Smokinghemd beiseite. Vier tiefe Schnittwunden– die verdächtig nach Krallenspuren aussahen– zierten seine Haut.
»Wie ist das passiert?«
Er schüttelte meine Hand ab und beugte sich vor, um mich unter die Knie zu fassen und hochzuheben. Finster sah ich ihn an. O nein, so leicht würde ich mich nicht ablenken lassen. »Gil sagte, ich bin durchgedreht. Habe ich… dich angegriffen?«
»Es war meine eigene Schuld, Kätzchen. Biana sagte, wir müssten das Gift aus deinem Körper bekommen. Du warst bewusstlos, wie tot. Ich war… nicht ich selbst. Ich hielt mich nicht lange damit auf, die Tatsache in Betracht zu ziehen, dass du dich nicht mehr bewusst unter Kontrolle haben würdest, sobald wir dich ausgeblutet
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