Braut der Nacht
hatten und du aufwachst.«
Blinzelnd sah ich ihn an. Nathanial zog alles in Betracht. Wenn er nicht in Betracht gezogen hatte, was geschehen würde, sobald sie mir das Blut entzogen… Er musste völlig panisch vor Angst gewesen sein. Um mich. Ich wandte den Blick ab. Und wie genau sollte ich mich dafür entschuldigen, völlig durchgedreht und jemandem die Schulter aufgerissen zu haben? Tut mir leid!, reichte da wirklich nicht aus.
Nathanial trug mich zu der Duschkabine in der Ecke des Zimmers und stellte mich auf die Füße. Als meine Knie nachgaben, senkte er mich sanft hinunter auf die Fliesen. Dann drehte er sich um und schloss die gläserne Schiebetür der Dusche.
Von innen. Immer noch in der Dusche. Mit mir.
»Was hast du vor?« Er konnte nicht hier drinnen bleiben. Er musste verschwinden. Am besten gleich.
Aber das tat er nicht.
Er drehte die Duschgriffe auf, und Wasser strömte aus den Wänden und dem Duschkopf. »Wir sind beide über und über voller Blut, Kätzchen. Wir müssen es abwaschen.« Wie um seinen Standpunkt zu verdeutlichen, fuhr er mit dem Finger durch die klebrige Schweinerei, die auf meiner Schulter trocknete.
»Richtig, duschen. Den Teil hab ich schon verstanden. Aber du musst rausgehen.«
»Kannst du allein stehen?«, fragte er, woraufhin ich ihn nur finster ansah . »Dann brauchst du meine Hilfe.«
Ich knurrte leise, widersprach aber nicht. Schließlich hatte er nicht unrecht– wir brauchten beide eine Dusche. Es ist effizienter so. Das Flattern in meinen Eingeweiden sprach eine andere Sprache.
Dennoch hob ich die Arme, um ihm zu zeigen, dass ich bereit war, seine Hilfe anzunehmen. Um seine Mundwinkel zuckte es, aber er sagte nichts, als er sich zu mir herunterbeugte. Er nahm mich in die Arme und hob mich hoch, bis ich nur noch mit den Zehenspitzen den Boden berührte.
Wasser ergoss sich über mich und wurde rosa, während es das Blut von meinem Kleid und meiner Haut spülte. Ich blinzelte, weil mir das Wasser in die Augen lief, deshalb drehte Nathanial uns so, dass ich nicht mehr direkt unter dem Duschkopf stand. Die Wasserstrahlen aus den Wänden prasselten gegen meinen Rücken, aber das war kein unangenehmes Gefühl. Das ohnehin schon blutdurchtränkte Kleid wurde noch schwerer, als sich das Futter mit Wasser vollsog, und der ruinierte Stoff dehnte sich unter dem Gewicht.
»Trink«, sagte Nathanial. Ich erwartete, dass er mir sein Handgelenk hinhielt, doch stattdessen neigte er den Kopf und entblößte seinen Hals.
»Äh…« Ich hätte lieber von seinem Handgelenk getrunken. Der Hals war intimer. Viel intimer. Das hier war ohnehin schon seltsam genug. »Nathanial, ich glaube nicht…«
»Das steht nicht zur Debatte. Nicht mehr.« In seiner Stimme lag mehr Zwang, mehr Befehl, als ich jemals gehört hatte. Bei seinem Tonfall biss ich die Zähne zusammen und wollte mich wehren, kämpfen, doch gleichzeitig wurde das Flattern in meinem Bauch fieberhaft, als meine Instinkte auf die Macht reagierten, die seine Worte durchzog, auf die Kraft in den Armen, die mich festhielten.
»Trink«, wiederholte er. Das Wort war gleichzeitig fordernd und unwiderstehlich.
Er hob mich höher. Meine Zehenspitzen verließen den Boden und schleiften über die Spitzen seiner Anzugschuhe. Sein Hals war so nahe. Das Herz schlug mir so heftig gegen die Rippen, als versuche es, durch meine Brust zu brechen und zu dem von Nathanial zu gelangen, das ich an meinem Körper schlagen spürte.
Mit zitternden Fingern zog ich seinen Hemdkragen beiseite. Dann stockte ich. Ein frischer Biss zierte seinen Hals, von dessen zerfetzten Rändern eine gezackte Linie zu seinem Schlüsselbein lief. Ich berührte die Einstichstellen mit meinen Fingerknöcheln, da ich meinen Krallen an einer so empfindlichen Stelle nicht traute. Als Nathanial scharf den Atem einsog, ließ ich die Hand sinken.
»War ich das?«
»Du warst nicht du selbst.«
Nein. Nein, das war ich nicht. Und vielleicht war ich im Augenblick ebenso wenig ich selbst. Ich senkte den Blick.
»Lass mich runter. Lass mich duschen.«
Er zog mich enger an sich, eng genug, dass es an Schmerz grenzte. »Nein«, flüsterte er. »Nein. Ich hätte dich beinahe verloren. Schon wieder. Ich brauche dich stark. Gesund. Trink von mir, Kätzchen. Bitte.« Das Bitte kam als ein raues Flüstern, als breche ihm das Herz bei dem Wort.
So verwirrt ich mich auch fühlte, wusste ich doch eines: Ich wollte nicht, dass dieses Herz, das ich gegen mich schlagen spürte,
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