Braut der Schatten
die Sache ist die, Onkel: Von uns will ihn auch keiner haben.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich werde schon bald meine Unsterblichkeit erlangen. Vielleicht bleibt mir nicht einmal mehr ein Jahr.« Mirceo näherte sich dem Zeitpunkt, ab dem sein Körper für immer im selben Zustand eingefroren sein würde. Ab diesem Moment würde er nicht mehr atmen, und sein Herz würde nicht länger schlagen. »In dieser Fehde festzustecken ist das Letzte, was ich will.«
Auch wenn Trehan sich vage daran erinnerte, dass Geschlechtsverkehr ein vergnüglicher Zeitvertreib war, drehte sich Mirceos gesamtes Leben um Sex, egal ob mit Frauen oder Männern – im Grunde mit jedem, der ihn ranließ.
»Warum sollte ich über andere herrschen, wenn ich mich nicht mal selbst beherrschen kann?«
Gutes Argument.
Stelian nahm einen Schluck aus seiner Flasche mit Blut und Met. »Und ich bin der Torwächter …«
»Eine Pflicht, die jetzt schon deine Trinkgewohnheiten beschneidet?«, unterbrach ihn Trehan. Während er mit Viktor einmal befreundet und Mirceo ein »liebevoller« Onkel gewesen war, hatte er Stelian noch nie ausstehen können.
Stelians Eltern waren von allen die hinterhältigsten gewesen. Erst vor zwei Jahrzehnten hatte sein verwitweter Vater Mirceos und Kosminas Eltern ermordet, um danach zu verschwinden. Trehan hatte ihn verfolgt und getötet.
Sie alle müssen mich bis heute deswegen im Verdacht haben …
Stelian zog angesichts von Trehans Antwort eine finstere Miene, aber er leugnete seine Vorliebe für das Trinken nicht. »Wir wissen alle, dass ein Torwächter in einem geheimen Reich weit mehr Macht als ein König besitzt. Ich kann das eine oder das andere sein, aber nicht beides, und ich wähle mein gegenwärtiges Amt.«
Als Hüter des Königreichs.
Trehan konnte kaum glauben, was er da hörte. Die beiden hatten ebenso oft fast bis zum Tod gegeneinander gekämpft wie Trehan und Viktor. »Und deine Begründung, Viktor?«
Dieser zuckte mit den Schultern. »Ich bin der Letzte des Hauses des Krieges, und offen gesagt ist der Kampf auch das Einzige, was mir gefällt. Man hat mich darauf hingewiesen, das sei keine gute Eigenschaft für einen König.«
Es musste noch mehr dahinterstecken, aber Trehan wollte seinen Cousin vor den anderen nicht drängen. »Und was plant ihr drei dann?«
»Wir wollten Cousin Lothaire als Monarch einsetzen«, sagte Mirceo. »Damit würden die Zwistigkeiten enden – so wie es geweissagt wurde.«
In der Stunde ihres Todes hatte Iwana, die rechtmäßige Erbin des Thrones, Dakien angeblich mit einem Fluch belegt, der dem Land ewigen Unfrieden bescheren sollte.
Bis Lothaire zum König gemacht würde.
Ich frage mich, ob Lothaire der Erzfeind weiß, wie genau sein Beiname zutrifft …
Mirceo hatte in seinem kurzen Leben genug Zwietracht erlebt, um an den Fluch zu glauben. Trehan hingegen war schon lange genug am Leben, um zu wissen, dass die schlaue Iwana wahrscheinlich lediglich vorhergesehen hatte, dass die heimlichen Intrigen, die schon zu ihren Lebzeiten gesponnen wurden, nicht so bald enden würden. Dakiens begrenztes Territorium und die damit verbundene endliche Menge politischer Macht boten den idealen Nährboden für Konflikte.
»Wie viel Schaden kann Lothaire schon anrichten?«, fragte Viktor. »Wir greifen andere Königreiche nicht an, es gibt bei uns keinerlei innere Unruhen – abgesehen von denen innerhalb der königlichen Familie –, und das Reich ist gut versteckt. Er wird lediglich eine Galionsfigur sein. Außerdem steht ihm der Thron rechtmäßig zu.«
Trehan schüttelte den Kopf. »Als ich ihn zuletzt sah, hatte er vollkommen den Verstand verloren. Er suchte mitten im Winter nach Dakien – splitterfasernackt.« Das weißblonde Haar des Vampirs war blutgetränkt gewesen, seine blasse Haut ebenfalls blutbesudelt, und seine Augen hatten wie glühende Kohlen geleuchtet. »Oh, und außerdem brüllte er auf Russisch nach jemandem, der endlich mit ihm kämpfen möge, ich zitiere: ›Ihr verdammten Hosenscheißer‹.«
Wie sie verfolgte auch Lothaire seine Blutrache, und er sehnte sich geradezu wahnsinnig nach der Krone der Dakier. Nur schade, dass er sein eigenes Königreich nicht finden konnte.
»Er mordet zum Spaß, nährt sich ohne jede Zurückhaltung und transloziert sich völlig unkontrolliert im Schlaf.« Es war so ähnlich wie Schlafwandeln, nur dass er in einer anderen Welt erwachen konnte. »Der Erzfeind ist ein Irrer.«
»Wir haben ihn beobachtet, Onkel«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher