Braut der Schatten
nur ihre mäßig bösartige Patin gewesen. Jetzt begann Bettina zu begreifen, dass sie eine Frau mit eigenen Sorgen – wie der Apokalypse – sowie eigenen Begierden und Wünschen war – wie tänzelnde Ponys und die endgültige Ausrottung der Vrekener.
»
Das Nächste! Ah, und hier sehen wir einen Phönix, das einzige männliche Exemplar der vermutlich allerletzten Schar.
«
Und was sollte Bettina damit anstellen? Den Vogel zur Zucht vermieten? Ihn im Internet anbieten? Auch wenn sie die lebhaften Farben des Vogels liebte, fand sie es grausam, ihn seiner Schar zu entreißen.
Im Gegensatz zu Morgana. »Denk nur an all die Masken, die wir aus diesen Federn machen könnten! Nein? Oh, komm schon! Ehrlich nicht?« Sie blickte frustriert gen Himmel.
Als der Wagen mit dem Gold vorwärtsrollte und seine Räder unter dem Gewicht all dieser Reichtümer ächzten, rief Morgana: »
Dieses Geschenk braucht keine Beschreibung! Seht, jemand wiegt das Schicksal einer Sorcera in Gold auf!
«
Sie zwinkerte Bettina zu. »Sieht so aus, als ob jemand unbedingt weiterleben will. Was riecht denn hier nur so? Ach ja, es ist Verzweiflung …«
Dann kam das letzte Geschenk. Morgana und Bettina blickten einander an.
»Was könnte nur in dem Sack sein, Bettina?«
Die Zauberin hielt ihre Handflächen hoch und wies mit einer Hand auf den Sack. Sie nutzte ihre Macht, um ihn zu öffnen.
Sein Inhalt purzelte hinaus und hüpfte über die Tribüne.
28
Bettina betrachtete mit gerunzelter Stirn Trehans Geschenk, das vor ihr verstreut lag, als ob sie nicht verstünde, was sie sah.
Trehan wurde klar, dass er an diesem Abend einen Fehler begangen hatte.
Trotz all der weisen Entscheidungen, die er im Laufe der Jahrhunderte getroffen hatte, und trotz all seiner klugen Ratschläge, mit denen er anderen geholfen hatten … Als es wahrhaftig darauf ankam, versagte seine Logik. Er hatte einen Riesenfehler gemacht, durch den er sein Leben – und, schlimmer noch, Bettina verlieren könnte.
Er fürchtete den Tod nicht; er hatte lang genug gelebt. Nein, Trehan fürchtete, sie niemals wiederzusehen. Er hatte grauenhafte Angst vor dem, was ihr in den kommenden Tagen zustoßen würde.
Vermutlich wird sie mit Goürlav verheiratet werden, sollte der Dämon siegen – und sollte es meinen Cousins nicht gelingen, sie zu beschützen.
»Ich werde euch bei Lothaire unterstützen«, hatte er den dreien versprochen, »wenn ihr dafür schwört, Bettina für alle Zeit zu beschützen.«
Jetzt bereute er seine Entscheidung zutiefst. Er hatte angenommen, er könnte ihr den Sack persönlich präsentieren, ihre Reaktion auffangen. Er hatte nicht damit gerechnet, von einem Schwert bedroht zu werden, während Vrekener-Köpfe auf sie zukullerten.
Ohne jede Vorwarnung.
Langsam dämmerte Bettina, was sie sah, und es gab nichts, was Trehan tun konnte, um ihr beizustehen. Er war gezwungen, hilflos zuzuschauen.
»Köpfe, Bettina!«, rief Morgana aus. Sie presste die Hände auf ihre Brust und klimperte mit den Wimpern. »Und gleich ein ganzer Sack voll! Das hast du dir doch schon immer gewünscht!« Trehan konnte hören, wie die Sorcera mit leiserer Stimme hinzufügte: »Sicher, nicht gerade das originellste Geschenk, aber immerhin scheinen sie frisch zu sein.«
Bettina sah aus, als ob sie sich gleich übergeben müsste.
Mist.
Zeii mea. Ich habe … versagt.
Nach diesem bedeutsamen Tag, der hinter ihm lag?
Noch vor Anbruch des Morgens war er aus einem Traum hochgeschreckt. Es war ihm tagelang nicht gelungen, Zugang zu der Erinnerung zu finden, auf die er es abgesehen hatte. Doch schließlich war er erfolgreich gewesen; er hatte ihren Angriff selbst durchlebt.
Jeden Schlag, den sie erlitten hatte. Trehan hatte alles gefühlt, jede einzelne Sekunde des Grauens, als ein zartes junges Mädchen im Namen des »Guten« von geflügelten Ungeheuern auf brutalste Weise gequält wurde.
Meine Braut. Ihre Gliedmaßen – geknickt wie zerbrochene Streichhölzer. Ihr Schädel, ihr Becken – zersprungen. Zwei Rippen hatten ihre Haut durchbrochen. Blut zeichnete ihren Körper.
Noch lange nachdem sie den Tod akzeptiert hatte, als sie bereits aufgehört hatte zu schreien und ihre flehentlichen Bitten verstummt waren, hatten sie immer noch nicht von ihr abgelassen.
Nur Raums Beschwörung durch ihr Medaillon hatte sie davor gerettet, langsam zu verbrennen.
Trehan war von seinem eigenen Wutgeheul geweckt worden. Um ihn herum hatten die Pelze seines Lagers in Fetzen gelegen. Seine
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