Braut der Schatten
Sie hielt ihn für aufregend und missverstanden und seine Liebesgeschichte mit Elizabeth für den Stoff, aus dem Legenden gemacht sind. »Er hat dich an den Hof gerufen.«
»Hat er das.«
Wie einen gewöhnlichen Untertan
. Das wurmte ihn. Trehan hätte schon längst König sein können. Inzwischen bereute er es, den Thron nicht selbst bestiegen zu haben.
Kosmina nickte aufgeregt. »Ich sagte ihm, ich würde dich auf der Stelle holen.«
Auf der Stelle? Auf einmal stellte Trehan fest, dass er Lust hatte, einen kleinen Spaziergang zu machen.
»Du willst zu Fuß gehen?«, fragte sie. »Darf ich dich begleiten?«
»Ich glaube nicht, dass ich gerade ein guter Gesellschafter bin, aber ich habe nichts dagegen.«
Sobald sie die Bibliothek verlassen hatten und auf einer nebligen Kopfsteinpflasterstraße dahinschlenderten, sagte Kosmina: »Warte nur, bis du die Burg siehst, Onkel. Königin Elizabeth war fleißig!« Seine Nichte war von all den Veränderungen in ihrem Reich begeistert. Sie hatte Trehan erzählt: »Nun müssen wir einander nicht länger hassen! Ich kann dich besuchen, ohne mir Sorgen zu machen, dass mein Bruder versucht, dich deswegen umzubringen.«
Seit Äonen hatte die große schwarze Burg mit ihren widerhallenden Sälen leer gestanden. Das war vorbei. Seit sich Lothaire und Elizabeth versöhnt und die Regentschaft übernommen hatten, befand sie sich in einem andauernden Zustand des Umbruchs.
Sobald Trehan und Kosmina durch die hoch aufragenden goldenen Tore der Burg eingetreten waren, standen sie mitten im Chaos.
Überall um sie herum huschten Diener hin und her und translozierten Möbel und Zierrat von hier nach da. Irgendeine Promenadenmischung jagte hinter ihnen her und bellte laut vor Ungeduld. In jedem Alkoven stand ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum.
»Elizabeth sagte, dass wir ab sofort das ganze Jahr über ›Weihnachten‹ haben und nur den allerfeinsten Weihnachtsschmuck verwenden!«, erklärte Kosmina.
Während Trehan das Durcheinander musterte, das ihn umgab, fragte er sich, wie Bettina diese Szene wohl betrachten würde.
Was würde sie sehen? Was könnten nur allein ihre schönen Augen wahrnehmen?
Trehan fehlte jene besondere Sensibilität – dafür hatte er sie gebraucht.
»Du trauerst um sie«, sagte Kosmina leise.
Er erstarrte. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich mit dir nicht über sie rede.«
Sowohl sie als auch Elizabeth hatten ihm in den Ohren gelegen, zu seiner Braut zurückzukehren.
Er hatte es nicht über sich gebracht, ihnen zu sagen, dass Bettina einen anderen liebte, war einfach nicht imstande gewesen, die Worte auszusprechen:
Meine Braut zieht einen Dämon vor. Meine Braut hätte mir mit ihrem falschen Spiel beinahe das Herz gebrochen. Mein Geist ist krank, und ich weiß nicht, was ich dagegen tun kann.
»Ich würde dir ja gerne sagen, dass ich das Thema nie wieder ansprechen werde, Onkel, aber das wäre eine Lüge«, sagte Kosmina mit ausdrucksloser Stimme.
»Die Lage ist kompliziert. Eines Tages werde ich es dir erklären.«
Wenn du dreihundert Jahre alt bist.
Er wechselte das Thema. »Hast du eine Ahnung, was Lothaire will?«
»Nicht die geringste, aber er ist heute bei klarem Verstand«, erwiderte sie fröhlich.
Als dies zum letzten Mal auch nur im Entferntesten auf Lothaire zuzutreffen schien, hatte Trehan versucht, dem König einen Überblick über die Familie und die verschiedenen Häuser zu geben, und ihm eine kurze Zusammenfassung der letzten drei Jahrtausende ihrer geheimen Geschichte präsentiert.
»
Fünf
Häuser?«, hatte Lothaire mit höhnischer Miene wiederholt und Trehan damit das Wort abgeschnitten. »Ihr lebt jetzt alle unter einem Dach. Meinem. Weil ich der König dieser Burg bin.« Dann hatten seine roten Augen auf einmal blicklos vor sich hingestarrt, und er hatte irgendetwas von »Lizvettas Lingerie« gemurmelt.
Trehan war von der Aufmerksamkeitsspanne des Erzfeindes …
überwältigt
gewesen.
Jetzt sagte Trehan zu Kosmina: »Selbst wenn er bei Verstand ist, verkörpert Lothaire nicht eben die typischen Eigenschaften seines Hauses.« Er entstammte der königlichen Linie, der ältesten, die für ihre Weisheit bekannt war.
Weisheit? Lothaire war es ja schon zu viel, sich einige Minuten lang die Geschichte seines viel gerühmten Hauses anzuhören.
»Es geht ihm von Tag zu Tag besser, Onkel! Rate mal, was noch! Lothaire und Elizabeth wollen, dass ich … auf Reisen gehe!«
»Wie bitte?«
»Er will, dass ich eine Mission für das
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