Braut der Schatten
unheimlich aussahen, wirkte er heute weitgehend vernünftig – und verdammt verschlagen.
»Ich lass euch Jungs mal alleine plaudern.« Elizabeth löste sich aus Lothaires Armen, was ihr ein missvergnügtes Knurren eintrug. »Und wenn du fertig bist, Leo, kommst du hoch zu mir.« Sie zwinkerte ihm zu und schlenderte zur Tür. Leo erhob sich, um ihr zu folgen, als stünde er unter ihrem Bann.
Er musste sich sichtlich zusammenreißen und setzte sich dann wieder. »Ich weiß, was du denkst, Cousin.
Lothaire hat sie fest an der Kandare.
« Er wirkte überaus zufrieden mit sich selbst. »In der Tat, so ist es.«
Aus dem Vorzimmer ertönte eine Stimme. »Oh, bitte! Ich bin doch wohl diejenige, die dich im Griff hat. Und das wissen wir beide!«
Lothaire blickte sehnsüchtig in Elizabeths Richtung, ehe er sich wieder Trehan zuwandte. »Für diesen Kommentar wird sie später noch schwer büßen.«
»Das will ich hoffen, Leo!«
»Lass es uns kurz machen, Trehan, damit ich gleich flachgelegt werde, wie meine geliebte Braut es zu nennen pflegt.« Er legte die Fingerspitzen zusammen. »In den vergangenen Jahrhunderten war es deine Aufgabe als offizieller königlicher Killer oder so, dakische Flüchtlinge aufzuspüren. Du musst wissen, dass deine Position an Bedeutung verlieren wird, wenn wir das Königreich erst öffnen.«
Als ob Trehan das auch nur im Mindesten interessieren würde.
»Eine neue Zeit ist angebrochen, hier im Reich von Blut und Nebel. Einige werden ihr Glück machen, andere werden untergehen. Vielleicht solltest du dieses Jobangebot aus Abaddon noch einmal überdenken?«
»Ich habe keinerlei Interesse daran«, sagte Trehan eisig. Er fragte sich, wie Lothaire von der Sache mit Abaddon erfahren hatte. Vermutlich durch Stelian. »Gibt es sonst noch etwas, worüber du sprechen willst?«
»Ja, es gibt noch eine andere Angelegenheit. Du bist mein Blutsverwandter und gehörst wie ich zur königlichen Familie.«
»Und?«
»Und das heißt, dass dein lächerliches Benehmen ein schlechtes Licht auf mich wirft.«
»Wovon redest du da?
Mein
lächerliches Benehmen?«
In der kurzen Zeit, in der Lothaire König war, hatte er bereits eine Wahrsagerin innerhalb des Reiches verloren, den Ratssaal zerstört und sich mit all seinen Cousins angelegt, wobei er während eines besonders bösartigen Angriffs Viktor den Schädel zertrümmert hatte. Viktor war wegen dieser Beleidigung immer noch außer sich.
Vorhin erst hatte einer von Trehans Assassinen ihn darüber informiert, dass Lothaire möglicherweise insgeheim den König der Devianten entführt hatte, um eine uralte Blutfehde zu begleichen.
Mögen die Götter uns beistehen.
»Ich habe nichts getan, was diesen Vorwurf rechtfertigt, Lothaire. Ich halte mich in meiner Bibliothek auf und bleibe für mich.«
»Genau. Du sitzt in deinem Zimmer und holst dir zu den Erinnerungen an deine Braut einen runter.«
Trehan knirschte mit den Zähnen. Leugnen konnte er diese Anschuldigung jedenfalls nicht. »Du hast mir nachspioniert?«
»Selbstverständlich. Ich spioniere jedem nach. Warum sollte ich bei dir eine Ausnahme machen?«, erkundigte er sich ernsthaft. »Allerdings wäre das gar nicht nötig gewesen, um zu wissen, was du gerade durchmachst. Ich habe es selbst erlebt. Du bist schwach, was Körper und Geist angeht, als würdest du unter einer besonders heimtückischen Krankheit leiden. Du kannst nicht trinken, kannst nicht schlafen. Deine Brust schmerzt, als ob sie bis zur Wirbelsäule hinunter aufgeschlitzt worden wäre. Und wenn du dir die Zukunft ohne deine Braut vorstellst, siehst du lediglich ein großes gähnendes Nichts.«
»Ja«, erwiderte Trehan überrascht. »Ja, genauso ist es.«
Lothaire war wahrhaftig ein würdiger Spross seines Hauses, des Hauses der Weisheit und der Geschichte. Des Hauses der Ältesten.
»Ja, Cousin, es gab einen Grund dafür, dass ich mir mein eigenes Herz herausgerissen und es Elizabeth geschickt habe.« Lothaire blickte an Trehan vorbei, und als er weitersprach, schien er mehr mit sich selbst zu sprechen. »Es schmerzte weniger, als es nicht mehr in meiner Brust war.« Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder seinem Gesprächspartner zu. »Darum werde ich einen Rat weitergeben, den ich selbst erhalten habe. Vielleicht wird er auch dir helfen.«
»Ich höre«, sagte Trehan rasch. Alles, wenn diese Qual nur ein Ende …
»Hör auf, so ein Weichei zu sein, und hol sie dir zurück.«
So viel zum Thema Weisheit. Trehans Fänge
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