Braut der Schatten
stinksauer! Und hat schreckliche Angst um Caspion.
»Wenn Cas sich translozieren kann, ist er da drin doch in Sicherheit, oder?«
Morgana stieß ein Schnauben aus. Raum fingerte unbehaglich am Halsstück seines Brustpanzers herum.
»Könnte er sich nicht einfach immer nur im Ring hin- und herteleportieren, wenn er wollte?«, fragte Bettina. »Oder zumindest, wenn er verletzt würde?«
»Wenn er nicht von einem weit schnelleren Gegner geschnappt wird, dann ja«, sagte Raum. »Aber auch die Translokation birgt ihre Gefahren. Um einen Hieb akkurat auszuführen, muss man sich den Bruchteil einer Sekunde lang vollständig materialisieren. Außerdem riskiert man bei jedem Mal, seinen Gegner aus den Augen zu verlieren, und das tut kein Krieger gerne.«
»Zudem riskiert man, dass irgendjemand vorhersieht, wo man wieder erscheint, und dort dann mit einem erhobenen mystischen Schwert wartet«, ergänzte Morgana. »Ich habe auf diese Weise meinen letzten Dämon getötet.« Sie imitierte die Stimme eines unschuldigen kleinen Mädchens. »Oh nein, bitte hör auf, dich dauernd zu translozieren. Das verwirrt meinen schwachen weiblichen Verstand!« Dann schlug sie die Handkante lautstark auf den Tisch. »Und
zack
.
Raum schien ihre Vorführung wenig zu beeindrucken. »Außerdem ist es sehr anstrengend, vor allem wenn man verletzt ist. Die Fähigkeit ist zwar ein großer Vorteil, aber das Risiko dabei ist ebenfalls groß.«
Bettina wechselte zum nächsten Fingernagel. »Wenn einer der Kämpfer in Bedrängnis gerät, was hindert ihn daran, sich einfach nach Hause oder wegzutranslozieren?«
»Der Blutpakt, den er unterzeichnet hat.«
Dann saß Cas also wirklich und wahrhaftig in der Falle? Sollte er sterben, wusste sie nicht, wie sie das je verkraften sollte.
Ihr gingen die Höhepunkte ihrer Freundschaft durch den Sinn, all die Dinge, die er getan hatte, um ihr Herz zu gewinnen. Cas hatte sie zu ihrem ersten Baseballspiel mitgenommen und ihr geduldig die Regeln erklärt. Er hatte sie gelehrt, die Autos der Sterblichen zu fahren, und sie zu Modenschauen und Kunstausstellungen begleitet, die ihn derart langweilten, dass er sich nur mit Mühe wach halten konnte.
Er war noch jung und tat manchmal dumme Dinge, aber er hatte ein großes Herz. Erst vor Kurzem hatte sie herausgefunden, dass er Findlingskindern heimlich Nahrung und Kleidung zukommen ließ und seinen neu gewonnenen Einfluss dazu nutzte, Lehrstellen für ältere Waisen einzurichten.
Alle waren immer so geblendet von seinem Aussehen, dass sie nicht merkten, wie viel mehr dahintersteckte – insbesondere Loyalität. Sie wusste, dass er sein Leben geben würde, um ihres zu beschützen.
Bettinas Träumerei wurde unterbrochen, als einer von Morganas Inferi mit einer schriftlichen Botschaft herbeieilte. »Was zur Hölle ist denn nun schon wieder?«, fuhr sie ihn an und riss das schwarze Siegel auf.
In einem vollkommen unnatürlichen Versuch, sich natürlich zu verhalten, streckte Bettina die Arme aus und lehnte sich zurück, um einen Blick auf das Schriftstück zu erhaschen. Sie konnte einige wenige Worte entziffern: »Omen«, »die Vergoldete«, »erhebt sich« und »Akzession«, ehe Morgana das Papier mit solcher Kraft zerknüllte, dass sie sich die Klauen in die eigene Handfläche bohrte.
Die Vergoldete war La Dorada, die Königin des Bösen und Morganas Nemesis, die sie bislang für tot gehalten hatte.
Mit einem Fluch erhob sich Morgana und schob den Stuhl mit einer Handbewegung zurück.
»La Dorada erhebt sich?«, wagte Bettina zu fragen.
Morgana – mit ihren Gedanken offensichtlich ganz woanders – antwortete: »Bitte entschuldigt mich. Jemand muss sterben.« Über die Schulter hinweg sagte sie an Raum gewandt: »Sorg dafür, dass das Turnier während meiner Abwesenheit … interessant bleibt.«
»Abwesenheit?«, wiederholte dieser fassungslos. »Du kannst nicht gehen! Du bist die Gastgeberin!« Er sprang auf und folgte ihr. Sie stritten miteinander, während sie und ihr Gefolge von Inferi auf ihr Reiseportal zueilten.
Sobald Bettina allein war, translozierte sich der Vampir neben sie und ergriff ihre Hand.
Da sie sich der Zuschauer, die sie beobachteten, nur allzu bewusst war, bemühte sie sich, ruhig zu erscheinen, als sie ihn durch zusammengebissene Zähne hindurch anzischte: »Lass mich los!«.
Das tat er nicht. Seine Hand war heiß, und ihre verschwand darin fast völlig.
Sie atmete seinen frischen Duft ein, und schon überwältigten sie die
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