Braut der Schatten
ihres Großvaters gleichmäßig tickte …
Als sich Mitternacht näherte, wusste sie, dass sie ihn bald loswerden musste. Aber wie?
»Prinzessin.« Auf einmal steckte Salem in der Tür. »Ich bin mal kurz weg.«
»Wie bitte?« Ja, sicher, sie wollte ihn loswerden, aber wenn sie nun tatsächlich Schutz gewollt hätte? »Du verlässt mich? Und wenn ich Angst davor hätte, dass der Vampir heute Nacht zurückkommt?«
»Heute Nacht bin ich in einer Mission unterwegs.«
»Was denn für eine
Mission
?«
»Die Art von Mission, die wichtiger ist, als dich vor einem Vampir zu beschützen,
der dir sowieso nie was antun würd
e.«
»Sag mir auf der Stelle, wovon du da redest.«
»Ich will Goürlav ausspionieren und einen Weg finden, um ihn zu töten – ohne dem Königreich damit zu schaden. Ansonsten war das heute Abend nämlich deine Verlobung mit dem Kerl.«
Sie erschauerte bei dem Gedanken. Ehe sie weitere Fragen stellen konnte, sagte er: »Später.«
Sie war allein. Ein Hindernis weniger für ihr mitternächtliches Treffen.
Bettina goss sich mit zitternden Händen ein Glas Wein ein. Die grauenhafte Angst vor dem kurzen Weg zum Zeltlager vermischte sich mit einer anderen Sorge. Welche Gefälligkeiten würde Dakiano wohl von ihr fordern? Was könnte er wollen? Vielleicht würde er wollen, dass sie die letzte Nacht wiederholten.
Weitere Küsse, weitere Berührungen.
Sie war so neugierig auf ihn, auf seine Reaktionen auf sie – auf Männer im Allgemeinen.
Hätte sie sich nur deutlicher an ihre erste sexuelle Erfahrung erinnern können. Doch auch wenn vieles im Nebel des Alkohols versunken war, hatten sich drei Dinge fest in ihr Gedächtnis eingebrannt: die Lust, die seine Lippen auf ihren Brüsten ausgelöst hatte, die sengende Hitze seines Samens und wie erstaunlich sich sein Schaft angefühlt hatte.
Mit errötendem Gesicht nahm sie einen großen Schluck Wein. Sie dachte genauso viel über Sex nach wie jeder andere Halbling Anfang zwanzig, und Dakiano hatte Bettina einen ersten Vorgeschmack auf wahre Leidenschaft gegeben.
Im Gegenzug hatte sie ihn erweckt, hatte ihm seinen ersten Samenerguss geschenkt, seit sein Herz aufgehört hatte zu schlagen – ob es wohl so gewesen war, wie er es sich erhofft hatte?
Wie könnte es? Sie war wohl kaum als erfahrene Sexbombe zu bezeichnen. Im Geiste fügte sie »sexuell unerfahren« zu ihrer Liste von Defiziten hinzu.
Verdammt, warum fühlte sie sich nur dermaßen unsicher? Schließlich hatte sie ihn nicht darum gebeten, sich in ihr Bett zu schleichen!
Okay, angenommen, ich gehe …
Ja, sie hatte ihm Gefälligkeiten versprochen, aber sie hatte nicht versprochen, sich blindlings auf irgendetwas einzulassen. Heute Nacht musste sie erst mal die Rahmenbedingungen festlegen. Und dabei würde sie alles über ihn herausfinden, was sie nur konnte, um Cas zu helfen.
Salem kümmert sich um Goürlav, ich übernehme den Vampir.
Aber vermutlich machte sie sich völlig umsonst Sorgen, und sie würde schon am Burgeingang erstarren, unfähig, sich auch nur einen Schritt vorwärtszubewegen. Oder würde ihr Eid sie dazu zwingen, sich durch düstere Gassen zu schleichen – allein, hilflos – und genau an die Orte zu gehen, an denen sich Feinde verstecken würden?
Sie atmete tief ein und bemühte sich, diese Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben. Vergebens.
Wir haben dich beobachtet, Prinzessin.
Diese Ungeheuer waren nach wie vor am Leben, beobachteten sie vielleicht in ebendiesem Moment.
Eine Maus konnte einem Habicht entkommen, aber niemals für lange Zeit.
Sie schleuderte ihr Glas gegen die Mauer. Sie hasste ihre Angst, hasste sich selbst.
16
Trehan musste oft warten. Er hatte schon auf Dächern gehockt, sich gegen Schornsteine gelehnt und leicht wie Nebel über seinen Opfern geschwebt. Immer hatte er sie genauestens studiert, ehe er zuschlug.
Jetzt stand er im nebligen Nieselwetter auf einem Dach gleich vor der Burg Rune und wartete auf Bettina, um über sie zu wachen. So wie diese betrunkenen Mitbewerber über sie gesprochen hatten, würde er es niemals zulassen, dass sie allein durch das Lager ging.
Nach dem Kampf hatte er erst seine Tasche mit Kleidung und seine Waffen unter der Brücke hervorgeholt – vermutlich hatte ein Teil von ihm immer gewusst, dass er am Turnier teilnehmen würde – und sich dann in das Zelt des gefallenen Vampirs transloziert.
Darin hatte er einen kunstvollen Schreibtisch samt Stuhl, einen Diwan, goldene Kelche, Karaffen voller Blut und ein
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