Braut von Assisi
kunstvoll beschnittenem Buchs, Olivenbüschen und Fächerpalmen umrahmt war.
Hier wartete der Papst auf sie, während seine Begleiter sich respektvoll zurückzogen. Innozenz IV., ein schmaler Mann in den Sechzigern, schien zu strahlen, so blendend weiß waren die Soutane, das Zingulum und das Pileolus, das seinen länglichen Schädel bedeckte. Er begrüßte Johannes von Parma freundlich, aber knapp, dann wandte er sich Leo zu.
»Benvenuto fratello Leo!« , sagte er. »Dimmi che devo sapere! Ti sento.«
Johannes nickte Leo aufmunternd zu.
»Erzähle ihm von Madre Chiara«, sagte er. »Ich werde jedes Wort getreulich übersetzen.«
Abermals hob Leo mit seinem Bericht an, schilderte die Ankunft in San Damiano, das Zusammentreffen mit Chiara und die Entdeckung der toten Nonne. Als er Magdalenas Namen erwähnte, schob sich das lange Kinn des Heiligen Vaters ein wenig nach vorn. Seine schwarzen Augen aber verrieten nichts von dem, was in ihm vorging.
»Poverina« , meinte Leo ihn murmeln zu hören, als er von seinem Verdacht erzählte, aber er war sich nicht sicher. Dann kam der Tod von Fra Giorgio an die Reihe und der Fund der Blutkarte.
Johannes übersetzte halblaut, fließend, ganz und gar unaufdringlich.
»Er will sie sehen«, sagte er zu Leo. »Zeig Seiner Heiligkeit die Karte!«
Leo gehorchte.
Die langen schlanken Finger mit dem Fischerring fuhren darüber, so behutsam, als wollten sie die eingezeichneten Einsiedeleien streicheln. Dann nickte der Papst.
»Du kannst sie wieder an dich nehmen«, sagte Johannes, »und weiter fortfahren.«
Leo beschrieb die Reise nach Rieti, seine Begegnung mit Fra Sebastiano und dessen Tod. Mittlerweile hatte er sich beinahe in Rage geredet.
»Es muss einen Zusammenhang zwischen all diesen Ereignissen geben«, sagte er. »Das kann ich spüren. Manchmal scheint er zum Greifen nah, doch dann umhüllt ihn wieder dichter Nebel, und ich tappe weiterhin im Dunkel. Was soll ich tun, Euere Heiligkeit? Aufgeben oder weitersuchen? «
Jetzt war nur noch Vogelgezwitscher zu hören, so still und friedlich lag der Kreuzgang im Sonnenlicht.
Dann begann Innozenz zu sprechen.
»Mein Vorvorgänger auf dem Heiligen Stuhl trug denselben Namen wie ich«, sagte er. »Zu ihm kam eines Tages ein zerlumpter Mann aus Assisi namens Francesco mit ein paar nicht minder abgerissenen Gefährten, die eine Regel für ihre Gemeinschaft von ihm verlangten. Er wollte sie schon wegschicken, doch in der Nacht hatte er einen seltsamen Traum. Die Basilika San Giovanni in Laterano, die
Bischofsbasilika von Rom, deren Mauern hier angrenzen, drohte einzustürzen – und jener Zerlumpte bewahrte sie mit seinem schwachen Kreuz davor.«
Innozenz zeigte ein schmales Lächeln. Seine Habichtsnase wirkte plötzlich noch schärfer.
»Wer auch immer den Stuhl Petri hütet, diesen Traum darf keiner von uns vergessen! Wir alle sind dazu angehalten, das Gedächtnis an jenen tapferen einzigartigen Retter zu schützen und zu bewahren. Geh hin, mein Sohn, und suche die Mörder! Lass nicht ab in deinem Bemühen, sondern stelle sie und bring sie Uns, damit Wir sie ihrer gerechten Strafe zuführen können!« Er war laut geworden, so leidenschaftlich hatte er gesprochen.
Leo nickte überrascht, nachdem Johannes übersetzt hatte, doch der Papst war offenbar noch nicht zu Ende.
»Dein Name war Leonhart von Falkenstein, bevor du ins Ulmer Kloster eingetreten bist?«, sagte er unvermittelt. »Und du bist der Zweitgeborene einer adeligen Familie. Die stattliche Burg, von der du stammst, liegt westlich in den Bergen?«
»Ja«, sagte Leo verdutzt. »Das ist richtig. Woher wissen Euere Heiligkeit das alles?«
»Ein guter Hirte kennt jeden aus seiner Herde.« Es klang wie eine Ausflucht und gleichzeitig nüchtern, fast kühl. »Das gehört zu seinen Aufgaben.«
»Und Madre Chiara?«, brach es aus Leo hervor. »Sie strebt nach vollkommener Armut für die frommen Schwestern von Damiano, ganz im Sinn von San Francesco. Doch der Tod hat seine Hände bereits nach ihr ausgestreckt. Ihr dürft die Entscheidung nicht mehr allzu lange aufschieben, Euere Heiligkeit, sonst wird sie den Tag nicht mehr erleben.«
»Die beiden haben aus derselben Quelle getrunken«, sagte der Heilige Vater, und Johannes übersetzte. »Und dennoch nicht dasselbe Wasser gefunden.«
Was wollte er damit sagen? Leo suchte Johannes’ Blick, doch der hatte sich bereits dem Papst zugewandt, der jetzt leise auf ihn einredete, schnelle, fast atemlos herausgestoßene
Weitere Kostenlose Bücher