Braut von Assisi
Mönchskutte, der sie ständig wegschicken wollte. Ihre Lider waren plötzlich schwer vor Müdigkeit, so anstrengend erschien es ihr, sich dagegen zu wehren, aber sie würde nicht aufgeben, das schwor sie sich in diesem Augenblick.
»Du brauchst mich doch«, sagte sie eindringlich, »wenn du auch nur irgendetwas erfahren willst. Padre Stefano versteht kein Wort deiner Sprache. Er ist ohnehin kein Freund vieler Worte. Das wirst du schnell bemerken.«
»Du hast schon mit ihm gesprochen?« Leo klang misstrauisch, was ihr wehtat.
»Niemals würde ich mich in deine Belange mischen. Ich
hoffe, das weißt du. Der padre hatte eine Kolik, da habe ich ihm geholfen, weil sonst niemand anderer da war. Von Frauen scheint er generell nicht allzu viel zu halten. Das hat er mehr als einmal deutlich gemacht.«
»Er hat von Frauen gesprochen?«, vergewisserte sich Leo. »In welchem Zusammenhang?«
»Er hat einen Fehler erwähnt, den er einmal begangen hat. Offenbar eine Frau, die er ins Kloster ließ, was er danach bereuen musste. Seit ich das weiß, bleibe ich lieber auf der Hut und meide seine Nähe. Obwohl …« Sie zeigte ein kleines Lächeln. »Als es ihm so schlecht ging, hat er mich zur Kochstelle ins Kloster geschickt, damit ich mit heißem Kamillentee seine Not lindern sollte.«
Leos Ausdruck hatte sich verändert. Jetzt war sein Gesicht nicht mehr abweisend, sondern von einer solch schmerzlichen Offenheit, dass Stella es kaum ertragen konnte.
»Ich kann dir helfen«, sagte sie und starrte dabei auf ihre Fußspitzen. »Als dein Mund und dein Ohr – oder hast du das schon vergessen?«
»Nein«, sagte Leo und griff nach dem Pferdehalfter. »Wie könnte ich!«
Zu ihrer beider Erstaunen schien es Padre Stefano gleichgültig zu sein, dass sie sich kannten. Leos kurze Begründung seines Besuches, die Stella dem Eremiten unweit des Klosters im Schatten einer alten Pinie übersetzte, nahm Stefano lediglich mit knappem Nicken zur Kenntnis.
»Du bist also wegen Chiara über die Alpen geritten?«, sagte er nach einer Weile. »Welch ein Aufwand! Hat denn Fratello Giovanni unter den hiesigen Brüdern keinen Würdigen finden können?«
»Johannes von Parma hat mich dazu auserwählt«, erwiderte
Leo und schien sich dabei zu straffen. »Und seine Wahl erst vor wenigen Tagen in Rom nochmals bekräftigt. «
Stella ließ sich nicht anmerken, wie sehr sie diese Äußerung beschäftigte. In Rom war er also gewesen, während sie sich nach ihm verzehrt hatte! Um dort mit dem Heiligen Vater zu sprechen – über eine Liebe, die es so nicht geben durfte?
»Kennst du eine Frau namens Magdalena?«, fragte Leo.
Padre Stefano stieß ein knurrendes Lachen aus. »Die große Sünderin, die die Füße des Herrn mit ihrem Haar getrocknet hat. Wer von uns kennt ihren Namen nicht?«
»Ich rede nicht von jener Frau aus der Bibel. Die Magdalena, um die es mir geht, war Nonne im Kloster San Damiano.«
»War?« Die Stimme des Eremiten klang plötzlich brüchig. »Sie ist also wieder fort?«
»Suor Magdalena ist tot«, sagte Leo. »Ermordet, wie ich glaube. Hast du sie gekannt?«
»Gekannt? Ich? Nein. Nein!« Stefano streckte die Hände Leo und Stella abwehrend entgegen, und er schüttelte dabei heftig den Kopf.
»Sie ist also wieder fort, hast du gesagt«, beharrte Leo. »Das klingt in meinen Ohren ganz so, als sei sie für dich doch keine Unbekannte. Was genau hast du mit diesem wieder gemeint? War Magdalena denn schon einmal fort? Und wenn ja – wo?«
»Ich sage gar nichts mehr, wenn ihr beide gemeinschaftlich versucht, mir die Worte im Mund umzudrehen!« Das hagere Gesicht Stefanos erbebte vor Empörung. »Frauen!«, sagte er in Stellas Richtung. »Sie sind nichts als verderbte Geschöpfe des Satans. Erst durch sie kam die Sünde in die Welt.«
»Der Allmächtige hat in seiner Güte Mann und Frau erschaffen«, widersprach Leo. »Frauen können Leben schenken, und eine Frau – Maria – hat uns den Erlöser geboren, vergiss das nicht!«
»Wie kannst du es wagen, den Namen der Heiligen Jungfrau in den Schmutz zu ziehen?«, schäumte Stefano.
»Nichts läge mir ferner.« Leo blieb ruhig. »Beide Geschlechter gehören zu Gottes Schöpfung, die unser Ordensgründer so herrlich bedichtet hat, und bei beiden gibt es Gute wie Böse.« Er zog seinen Beutel unter der Kutte hervor. »Vielleicht machen dich ja einige dieser Gegenstände gesprächiger.«
Auf einem flachen Stein breitete er seine Schätze aus.
Für den Fetzen Pergament mit den
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