Braut von Assisi
Bodo uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, enthält noch viel zu viel von all dem und atmet den Pesthauch der Macht. San Francesco hat auf hartem Stein geschlafen, das Tragen von Schuhen verachtet und sein Herz bedingungslos der Liebe geöffnet. Eines Tages wird auch für mich die Zeit angebrochen sein, ihm in allem zu folgen.«
Er hatte so vorbehaltlos, so voller Leidenschaft gesprochen, dass Leo tief berührt war.
»Wenn du also willst, reite ich nach Assisi zurück«, sagte er.
»Das wirst du.« Johannes berührte das Holzkreuz auf seiner Brust. »Doch erst, nachdem du mit Papst Innozenz gesprochen hast.«
»Dem Heiligen Vater?«, rief Leo.
»Seine Heiligkeit hat das französische Exil bereits vor einigen Monaten verlassen und ist nach Rom zurückgekehrt«, erklärte Johannes. »Der Kaiser, der ihm so viele Schwierigkeiten bereitet hat, ist tot und dessen Nachfolger schwach genug, um in die Schranken gewiesen zu werden, die ihm gebühren. Ich bin sicher, seine Heiligkeit wird äußerst begierig darauf sein anzuhören, was du zu berichten hast.«
Der Himmel über Stella war blank und blassblau, als sie am Morgen die Augen aufschlug – und sie war allein.
Wo steckte Padre Stefano?
Als Erstes stieg Angst in ihr hoch, aber sie wurde schnell
wieder ruhiger. Es konnte ihm nichts Schlimmes zugestoßen sein, sonst hätte sie ihn sicherlich um Hilfe rufen gehört. Ganz im Gegenteil – nach einigem Nachdenken wertete sie seine Abwesenheit als gutes Zeichen. Er fühlte sich wohl besser, zumindest so gut, dass er sich wieder ins Kloster zurückgezogen hatte, um seinem gewohnten Tagesablauf nachzugehen.
Stella streckte sich und spürte, wie verspannt sie nach dieser Nacht auf bloßem Boden war, die sie zudem auch noch im Freien verbracht hatte. Was hätte sie jetzt nicht alles für Ilarias flinke Finger gegeben, die alle Steifheit im Nu aus den Muskeln herausmassieren konnten. Doch die Schwester erschien ihr in diesem Moment so fern und unerreichbar wie der Mond.
Sie rappelte sich auf, klopfte den Schmutz aus ihrem Kleid, stieg nach unten zu ihrer Hütte – und hielt erstaunt inne. Der Einsiedler, er hatte an sie gedacht!
Vor der Tür entdeckte sie einen Korb, in dem sich Käse, zwei Eier, eine Handvoll Aprikosen sowie ein irdener Topf befanden. Nachdem sie den wackligen Deckel gelüpft hatte, roch sie Bohneneintopf. Daneben stand ein Tonkrug mit frischem Wasser.
Für einen Moment kam ihr wieder der Schimmel in den Sinn, vor dem sie sich in der Nacht so geekelt hatte, und sie hielt die Nase tiefer, um erst einmal zu schnuppern. Doch außer dem würzigen Duft nach Kräutern störte nichts ihr Geruchsempfinden, und so packte sie den grob geschnitzten Löffel, der ebenso im Korb gelegen hatte.
Ausgehungert und halb am Verdursten, da sie während dieser seltsamen Nacht nur auf Stefano, aber kaum auf sich selbst geachtet hatte, trank und aß Stella, bis sie sich so satt und wohlig fühlte, dass sie sich unwillkürlich noch einmal längs ausstrecken musste.
Sie schrak zusammen, als plötzlich ein Schatten neben ihr auftauchte.
»Du fühlst dich besser?«, hörte sie Padre Sebastianos heisere Stimme.
»Soll ich das nicht lieber Euch fragen?« Stella blinzelte zu ihm empor.
Er zeigte mit den Handflächen nach oben. »Der Körper ist nicht mehr als ein lästiger Gefährte«, sagte er. »Francesco hat ihn stets ›Bruder Esel‹ genannt – und er hatte recht damit.«
»Was haltet Ihr da in der Hand?«, fragte Stella, die die spitzen länglichen Blätter wiedererkannte, die sie sich in die Schuhe gelegt hatte.
»Spitzwegerich«, erwiderte der Eremit. »Ich hab deine Fersen gesehen, und die schauen gar nicht gut aus.«
»Er hilft leider nicht viel«, sagte Stella. »Beim Hochsteigen hatte ich die Blätter aufgelegt, aber …«
»Man muss eben wissen, wie man sie anwendet.«
Überraschend schnell war er neben ihr auf den Knien und hatte einen Fuß ergriffen. Zu Stellas Überraschung steckte er sich eines der Blätter in den Mund und begann, darauf herumzukauen. Schließlich spuckte er einen grünlichen Brei in die Hand, den er gleichmäßig auf ihrer Ferse verteilte.
»Und jetzt in die Schuhe!«, verlangte er, nachdem er auch die zweite Ferse dem gleichen Verfahren unterzogen hatte.
»Weshalb?« Stella schaute staunend zu ihm hoch.
»Weil du sonst niemals mehr wieder hineinkommst. Aber du wirst deine Schuhe brauchen, denn ich will dir etwas zeigen.«
Reichlich unentschlossen zwängte sich Stella
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