Braut von Assisi
Frieden beigetragen. Ich möchte dir dafür danken.«
»Ich habe lediglich getan, was du mir aufgetragen hast«, sagte Leo. »Ein treuer Diener des heiligen Franziskus, der gehorcht – und handelt, wenn es nötig ist.«
»Ich kann nur hoffen, dass das Privileg den frommen Schwestern von San Damiano nicht allzu bald wieder genommen wird, nachdem Chiara nun für immer die Augen geschlossen hat«, sagte Johannes.
»Was willst du damit sagen?«, fragte Leo.
»Weißt du denn nicht, was der Heilige Vater mit dem Testament Francescos angestellt hat? Verwässert hat er es und verändert, bis nicht mehr viel davon übrig geblieben ist. Die Brüder dürfen arm bleiben, der Orden freilich kann Besitz verwalten – niemals hätte der poverello das so gewollt! Wenn man schon mit seinem Vermächtnis so umgeht, was wird dann erst binnen Kurzem auf die Jüngerinnen Chiaras zukommen?«
Er klang so verbittert, dass Leo aufhorchte. »Was wünschst du dir, Fratello Giovanni?«, fragte er sanft.
»Dass endlich Ruhe im Orden eintritt und die Flügelkämpfe aufhören. Doch leider ist genau das Gegenteil der Fall. Die Lager sind gespaltener denn je: die einen, die das Lob des großen Heiligen in vollem Pomp in die Welt hinausposaunen wollen, und die anderen, die sich darauf berufen, wie alles begonnen hat – in reinster, purer Armut, der Herrin, der Francesco bis zu seinem Tod gedient hat.«
Leo betrachtete den Generalminister nachdenklich.
»Ich muss dich nicht fragen, zu welchem Flügel du gehörst«, sagte er schließlich.
Johannes wirkte müde. »Ich hab mich nicht nach diesem Amt gedrängt, doch als man mich gewählt hat, war ich entschlossen, es nach bestem Wissen und Gewissen zu führen.«
»Das klingt beinahe wie ein Abschied«, sagte Leo.
»Und das aus deinem Mund, fratello ?«, erwiderte Johannes leise. »Weshalb wolltest du mich sprechen?«
»Du weißt es«, sagte Leo.
»Ich muss es von dir hören.«
Leo begann unruhig auf und ab zu gehen.
»Ich habe mich ebenfalls nicht nach dieser Mission gedrängt«, begann er schließlich. »Doch nachdem du mich auserwählt hattest, war ich kompromisslos dazu bereit. Das musst du wissen.«
»Du sprichst in der Vergangenheit?«
»Ja, das tue ich. Wie hätte ich ahnen sollen, was mit mir geschehen würde? Ich habe die Liebe gefunden, Johannes – die Liebe zu einer ganz besonderen Frau. Ich hätte Stella in Poggio Bustone beinahe verloren. Ich könnte es nicht ertragen, sie noch einmal zu verlieren.«
»Aber das ist es nicht allein, oder?«
»Der Orden war meine Familie. Meine Gegenwart. Meine Zukunft. Mein Herz schlägt noch immer für Franziskus, und das wird auch so bleiben bis zum allerletzten Atemzug. Aber ich kann kein Mönch mehr sein. Ich werde nicht ins Kloster nach Ulm zurückkehren.«
»Du bittest um Dispens? Das muss an höherer Stelle entschieden werden, und das weißt du.«
»Ich bitte darum. Von ganzem Herzen. Du weißt, wer Stella ist?«
Johannes nickte leicht.
»Dann hilf mir dabei, ich flehe dich an!«
»So ernst ist es dir, Leo? Mit allem, was dieser Schritt nach sich zieht?«
»Niemals im Leben war es mir ernster!«
»Aber wovon willst du leben – gesetzt den Fall, du erhieltest den Laienstatus tatsächlich zurück? Die Welt außerhalb
der Klostermauern ist gefährlich und rau. Niemand wird dir mehr eine Kutte zur Verfügung stellen, keiner mehr deine leere Bettelschale füllen …«
»Das weiß ich, aber ich fürchte mich nicht davor«, sagte Leo. »Ich bin stark. Ich werde kämpfen.«
Johannes berührte das τ an der Wand.
»Das Göttliche kommt zu uns Menschen in verschiedener Form«, sagte er leise. »Manch einen trifft es wie ein Blitz, den Nächsten streift es wie eine sanfte Brise. Wieder andere erhalten ein Geschenk vom Himmel, das für sie Segen und Fluch zugleich bedeuten kann.«
»Du sprichst in Rätseln, Johannes!«, rief Leo. »Was hat das alles mit mir zu tun?«
»Dein Bruder Ulrich ist tot«, sagte Johannes von Parma. »Die Nachricht hatte uns schon erreicht, als du uns jüngst in Rom besucht hast, aber es erschien uns besser, sie noch eine Weile zurückzuhalten.«
»Ulrich ist tot?« Leo schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht glauben. Er war immer so stark, so mutig. Ich dachte, Ulrich würde niemals sterben. Und jetzt werde ich ihn nie mehr wiedersehen können.« Er wandte sich ab.
»Ein Jagdunfall. Schon vor einer ganzen Weile. Und hat dein Bruder Ulrich nicht zwei Töchter – und keinen Sohn?«
»Zwei Mädchen,
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