Braut von Assisi
Augen brannten.
» A una condizione – unter einer Bedingung. Tre domande – drei Fragen!«
Chiara nickte.
» Dov’è il libro di Magdalena? – wo ist Magdalenas Buch?«
»Presso l’unica persona che ne è degna – sua figlia.«
Bei der Einzigen, die es verdient hat – ihrer Tochter, hatte sie gesagt, falls er sie richtig verstanden hatte.
Aber wie konnte das möglich sein? Er musste unbedingt nachfragen, wie das gemeint war, aber zunächst seine anderen beiden Fragen: » Questo C qui – era il tuo nome? Hier stand dein Name?«, fragte er weiter und deutete auf das C auf dem verkohlten Bogen.
»Sì«, murmelte sie. »Chiara.«
»Und der Geliebte war … L’amorato era …«
Ein Geräusch an der Tür.
Blitzschnell hatte die Kranke die Katze verscheucht und das Pergament unter die Decke gezogen.
Regula kam mit einem Krug und einem Becher zurück.
»Wasser«, sagte sie unfreundlich. »Ich hoffe, du bist nun zufrieden!«
»È stato Francesco a mostrarmi tutto.« Plötzlich klang Chiaras Stimme fester und kräftiger. »Senza di lui sarei stata cieca e muta.«
»Es war Francesco, der mir alles gezeigt hat«, übersetzte Regula. »Ohne ihn wäre ich blind und taub geblieben.« Der Argwohn in ihrer Stimme war unüberhörbar. »Worüber habt ihr in meiner Abwesenheit geredet?«
Leo und Chiara tauschten einen langen Blick.
»Über die Herrin Armut«, sagte er schließlich, »der wir beide aus vollem Herzen dienen. Madre Chiara allerdings mit größerer Kraft, Schönheit und Hingabe, als ich oder irgendein anderer es jemals vermöchte – ich wünsche mir, dass dies endlich seine Belohnung findet.«
Regula übersetzte. Jetzt war Chiaras schmales Gesicht tränennass.
Leos Aufmerksamkeit wurde abgelenkt. Auf einmal schien das ganze Kloster in heller Aufregung. Er hörte Schritte, aufgeregte Frauenstimmen, das Schlagen von Türen.
Plötzlich ein lauter Schrei: »È arrivato il Papa!« Benedetta kam aufgelöst hereingestürzt. »Il Papa è qui, in convento!«
»Der Heilige Vater ist im Kloster!« Regula war aufgesprungen. »Aber das hieße ja … das muss doch heißen …«
»Dank sei Gott dem Herrn!«, sagte Leo. »Alles Warten hat nun ein Ende.«
Ein letzter Blick zu Madre Chiara, die die Augen geschlossen hatte und zu beten schien. Dann verließ er das Krankenzimmer.
Draußen stieß er auf Johannes von Parma, der dem päpstlichen Gefolge voraneilte. Zwei Sekretäre, zwei Notare, vier Geistliche – der kleinstmögliche Tross, der sich denken ließ, doch selbst er schien viel zu gewaltig für diese engen Mauern.
»Es ist so weit, Bruder!«, rief der Generalminister, während Leo rasch zur Seite trat, um Platz zu machen. »Seine Heiligkeit hat sich entschlossen, Madre Chiaras Herzenswunsch
zu erfüllen – das Privileg der Armut soll ihr endlich gewährt werden!«
Innozenz IV. bemerkte Leo sehr wohl, gönnte ihm aber keinen Blick, während Benedetta und Regula unter tiefem Verneigen die Tür zum Krankenzimmer aufrissen, damit er eintreten konnte. Leo machte Johannes von Parma ein Zeichen, seit vielen Jahren erprobt in langen Stunden des Redeverbots, das in den Klöstern herrschte, und wurde sofort verstanden.
Ich muss dich sprechen, bedeutete es. Es ist äußerst dringend.
Johannes nickte kurz und berührte als Antwort das hölzerne τ auf seiner Brust, bevor er drei Finger hob, sich leicht damit auf die Wange klopfte und danach die Augen zu Boden schlug.
Das Letzte, was Leo zu sehen bekam, als er noch einmal in die Krankenkammer spähte, war ein fast überirdisches Strahlen, das Chiaras ausgezehrte Züge erleuchtete, als erblicke sie ihren himmlischen Bräutigam.
Dann ging er langsam zur Pforte.
Er hatte sie in der ganzen Stadt gesucht, doch er konnte Stella nirgendwo finden. Weder bei der Messefeier in San Rufino, wo er sie zum ersten Mal gesehen hatte, noch sonst irgendwo auf den Gassen und Plätzen Assisis. Eine ganze Weile stand er sogar vor dem Haus der Lucarellis und spähte zu den Fenstern hinauf, die wegen der sommerlichen Hitze geschlossen und zusätzlich mit Holzläden verdunkelt waren. Die unsinnige Hoffnung, sie könnte doch zu den Zieheltern zurückgekehrt sein, hatte ihn hierhergetrieben, obwohl er eigentlich genau wusste,
dass Stella diesem Ort für immer den Rücken gekehrt hatte.
Schließlich ging er langsam zurück zu der kleinen Herberge, in der er untergekommen war. Es wurde langsam Zeit, sich mit Fidelis auf den Weg zu machen, um Johannes von Parma nicht unnötig
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