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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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warten zu lassen.
    Er hatte sein Ziel fast erreicht, als ihn plötzlich eine Frauenstimme ansprach – auf Deutsch!
    Leo fuhr herum und erkannte jene Frau wieder, die ihn am ersten Abend in Assisi zu den Lucarellis gebracht hatte.
    »Ihr seid zurück in der Stadt, padre ?«, sagte sie in ihrem kehligen Idiom, das ihn sofort wieder an seine Mutter erinnerte.
    Leo nickte.
    »Aber ich werde nicht mehr lange bleiben«, sagte er. »Meine Mission ist erfüllt. Ich reite wieder nach Hause. Wie habt Ihr mich gefunden?«
    »So hat Euch unsere Stadt kein Glück gebracht?«, fragte die Frau weiter, ohne auf seine Frage einzugehen.
    »Glück schon, aber zugleich auch Schmerz«, sagte Leo. »Und für beides seid Ihr ein gutes Stück mitverantwortlich, ich hoffe, das wisst Ihr.«
    »Ich?« Sie zog die Schultern nach oben.
    »Es war doch kein Zufall, dass Ihr mich damals zu jenem Haus geführt habt!«
    »Ebenso wenig wie jetzt.« Das Lächeln war aus ihrem breiten Gesicht verschwunden. »Damals wie heute bin Euch gefolgt, wenngleich auch aus unterschiedlichen Gründen. Ich bin Marta, Stellas Amme, der man den Säugling damals an die Brust gelegt hat, als er kaum mehr als einen Tag alt war. Wie eine Mutter hab ich viele Jahre für die Kleine gesorgt, sie erzogen, sprechen gelehrt, auch in meiner Muttersprache. Doch als sie älter wurde und mit ihren
neugierigen Fragen begann, da hat man mich von heute auf morgen weggeschickt. So lange musste ich ohne meinen Liebling leben! Doch dann bin ich zurückgekehrt …«
    »Aber wie konntet Ihr wissen, was geschehen würde?«, unterbrach Leo sie heftig. »Wo ich doch selbst so lange gebraucht habe, um die Wahrheit zu erkennen!«
    »Wie hätte ich es wissen sollen?«, fragte Marta. »Es waren bloß Ahnungen, die ich hatte. Andeutungen, Gerüchte und gewisse Ungereimtheiten, die mich stutzig gemacht hatten. Ein seltsames Gespräch zwischen den Lucarellis, das ich einmal zufällig mit angehört hatte. Ein alter Schlüssel, der noch lange in meinem Besitz war …. Doch die vielen Lügen, die auf diesem Haus lasteten, die hab ich sehr wohl gespürt! Als ich Euch damals sah, erschient Ihr mir genau der Richtige zu sein, um die Dinge ins Rollen zu bringen. Und seid Ihr das nicht auch, padre Leo?« Das Lächeln war auf ihren Zügen zurück.
    »Ihr habt mit Stella gesprochen!«, rief er. »Sie hat Euch alles erzählt.«
    Sie sah ihn schweigend an.
    »Bringt mich zu ihr!«, verlangte Leo. »Ich muss sie sehen!«
    »Das kann ich nicht«, sagte Marta. »Man hat sie nach San Damiano gerufen. Madre Chiara liegt im Sterben. Ihre Seele wird endlich erlöst werden.«
    »Madre Chiara wollte Stella bei sich haben?«, fragte Leo ungläubig.
    »Sie haben schon am frühen Morgen nach ihr geschickt. Als es gerade erst hell wurde. Stella ist sofort zum Kloster aufgebrochen. Es muss ein langer, schmerzlicher Abschied sein.«
    »Irgendwann wird sie von dort zurückkehren«, sagte Leo. »Erschüttert über den neuerlichen Verlust. Wo finde ich sie dann?«

    Marta hatte sich ihm einen Schritt genähert.
    »Stella wird trauern wollen – auf ihre Weise. Ungestört. Das wisst Ihr. Doch wo könnte sie das tun? Das Grab ihres gerade erst wiedergefundenen Vaters liegt weit entfernt von hier, padre Leo. Ihre Mutter ruht in der Klausur der frommen Schwestern.« Sie sah ihn zwingend an. »Wohin noch könnte sie gehen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ihr kennt sie besser als ich.«
    »Das war einmal. Jetzt gibt es niemanden mehr, der Stella näher sein könnte als Ihr. Denkt an die Umstände von Magdalenas Tod!«
    Leo sah sie an – und plötzlich begann er zu nicken.

    Johannes von Parma stand vor der Wand, von der das τ leuchtete , das Leo frischer und strahlender denn je erschien.
    »Der beste aller Orte«, sagte er, als er Leo erblickte, der die Portiuncula-Kirche soeben betreten hatte. »Hier ist Francesco lebendig wie damals.«
    »Der beste aller Orte«, wiederholte Leo. »Ihr dürft ihn nicht dem Verfall preisgeben! Das Kirchlein hier ist nicht minder heilig als die große Kathedrale, die viele Pilger anzieht. «
    »Das werden wir nicht«, sagte Johannes. »Aber wir müssen behutsam vorgehen – Portiuncula erhalten, ohne ihm die Schlichtheit der ersten Stunde zu nehmen.«
    Er legte Leo die Hand auf die Schulter. »Sie ist tot, Leo. Madre Chiara ist vor wenigen Stunden gestorben, versöhnt mit Gott und endlich im Besitz jenes Armutsprivilegs, dem sie ihr Leben geopfert hat. Du hast einen großen
Teil zu ihrem

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