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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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hatte sich vielmehr weiterhin tief in seinen Eingeweiden eingegraben, piekste und stach ihn wie mit tausend spitzen Nadeln.
    »Du bist mein Liebling, carissimo! « Obwohl sie schon längst im Sarg lag, glaubte er noch heute, Mammas warme Hand auf seinem Scheitel zu spüren. »Der Schönste, der Beste von allen! Hör einfach nicht hin! Eines Tages werden sie ohnehin genug von diesem Unsinn haben, das prophezeie ich dir. Spätestens dann, wenn du der nächste Conte bist. Der, der allen gebietet. Und vor dem sie alle kuschen werden.«
    Wie gern hätte er ihr jedes Wort geglaubt!
    »Mein Vater schätzt mich«, sagte er und erschrak, wie dünn seine Stimme klang. »Er würde niemals zulassen, dass …«
    »Zeig ihm, mit wem er es zu tun hat, Bruder!«, verlangte die unbarmherzige Stimme.

    Erneut schlossen sich die starken Hände um seinen Hals, raubten ihm den Atem, und erst als Carlo fast sicher war, das Licht des hellen Tages zum letzten Mal gesehen zu haben, ließen sie ihn abrupt los.
    Er würgte, hustete, rang verzweifelt nach Luft.
    »Das alles war lediglich ein winziger Vorgeschmack.« Jetzt gurrte und sang die Stimme. »Denn der körperliche Tod ist bei Weitem nicht das Schlimmste, was einem Menschen zustoßen kann. Früher oder später werden wir alle zu Staub, und nichts und niemand kann uns vor diesem Schicksal bewahren. Doch solange wir auf der Erde wandeln, sind wir von den anderen abhängig, die mit uns leben. Erst wenn sie uns verstoßen, sind wir richtig tot. Daran solltest du denken!«
    »Was muss ich tun?« Die Angst saß ihm wie ein eitriges Geschwür in allen Gliedern.
    »Du wirst die Hochzeit absagen. Es liegt an dir, das zustande zu bringen. Sonst werden wir eingreifen müssen – und dann gnade dir Gott, della Rocca!«
    In ihm war noch nur Schwärze, gegen die er verzweifelt anzukämpfen versuchte. »Wer schickt euch?«, krächzte er. »Satan höchstpersönlich?«
    Das Lachen des Mageren war gellend. »Wir sind die Hüter des Lichts«, sagte er, als er sich wieder gefasst hatte. »Gehen wir, Bruder!«
    Der andere gehorchte schweigend.
    »Eines noch.« An der Tür hielt der Magere kurz inne und drehte sich zu Carlo um, der sich in seinem ganzen Leben niemals armseliger gefühlt hatte, entblößt, besudelt, zu Tode geängstigt. »Wir finden dich, egal, wohin du dich auch flüchtest. Unser Netz ist riesig und unsichtbar, aber umso fester geknüpft, und es wächst von Tag zu Tag. Bald werden wir überall sein. Gehorchst du, kannst du den heutigen
Besuch auf der Stelle vergessen. Wagst du jedoch, dich zu widersetzen, so wirst du dir bald schon wünschen, niemals geboren zu sein, das verspreche ich dir!«
    Das Zittern setzte erst ein, als die Tür sich hinter den beiden geschlossen hatte. Bitter schoss Carlo der Mageninhalt in den Mund. Ihm blieb keine Zeit, sich zu bedecken und nach draußen zum Abtritt zu laufen. Wie damals als Kind so viele Male erbrach er sich auf den schmierigen Boden, gleich neben dem Bett, auf dem er sich soeben noch mit den beiden Huren vergnügt hatte.

    Leo ritt nach San Damiano, er jagte dem Kloster geradezu entgegen, so eilig hatte er es auf einmal, dort anzukommen. Fidelis, die viele Tage im Stall verbracht hatte, schien den Auslauf zu genießen und galoppierte, so schnell sie nur konnte.
    Leo spürte den warmen Wind, roch die Kräuter, die am Wegrand wuchsen, und hielt die Stute plötzlich an, als der Konvent in Sicht kam. Würde ihm heute endlich gelingen, was er sich so fest vorgenommen hatte – hinter die Mauern zu schauen, die sichtbaren ebenso wie die unsichtbaren?
    Eine ihm unbekannte Schwester empfing ihn an der Pforte und führte ihn nach drinnen. Wieder nahm er im Kreuzgang auf einer Steinbank Platz. Wiederum war nach Kurzem die Graue an seiner Seite, die ihn neugierig beschnüffelte.
    »Ich wette, du kennst hier ein paar Geheimnisse, über die ich nur zu gern Bescheid wüsste«, flüsterte er ihr ins Ohr, während er ihr sonnengetränktes Fell streichelte. »Willst du sie mir nicht verraten, meine Schöne?«

    Mit hocherhobenem Schwanz stolzierte die Katze davon, um sich dann majestätisch auf dem Grab Magdalenas niederzulassen. Ob sie ihre Herrin noch immer vermisste? Offenbar mehr als einige der Mitschwestern, dachte Leo mit einiger Bitterkeit.
    Aus dem Schatten kamen Suor Regula und Suor Benedetta auf ihn zu.
    »Ich muss Madre Chiara sprechen.« Er hatte sich erhoben. »Bringt mich bitte zu ihr!«
    Die Infirmarin runzelte die Stirn. Statt ihrer ergriff nun

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