Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
ihm, ging ein Stück am Felsen entlang, bis es immer deutlicher und lauter wurde.
    Giorgio kniete in einer schmalen Höhle, die er offenbar gerade mithilfe eines Hammers zu erweitern versuchte.
    »Sei ritornato« , sagte er, offenbar kaum überrascht, als er den Besucher erkannt hatte. »Mi aiuti?« Er deutete auf einen zweiten Hammer neben sich.
    Leo blieb nichts anderes übrig, als zu nicken. Eigentlich hatte er sich das Wiedersehen ganz anders vorgestellt, als mit einem uralten Werkzeug, das offenbar kurz vor dem Auseinanderfallen war, gegen harten Fels zu schlagen. Aber hatte nicht Franziskus die Segnungen körperlicher Arbeit stets gepriesen?
    Also kniete er sich neben den betagten Mönch und begann zu schlagen. Binnen Kurzem rann ihm der Schweiß über den Rücken und die Kutte klebte ihm am Körper, aber Giorgio, obgleich Jahrzehnte älter als er, arbeitete so gleichmäßig und unbeirrbar weiter, dass er schließlich in dessen Rhythmus hineinfand.
    »Sei venuto da solo?« , fragte Giorgio mittendrin, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.

    »Sì« , bekräftigte Leo. Natürlich war er allein gekommen – er konnte nur hoffen, dass es sich auch lohnen würde!
    Doch als Giorgio sich irgendwann erhob, für eine Weile verschwand und schließlich mit einem Korb voller Lebensmittel zurückkehrte, auf den er mit einer Flut unverständlicher italienischer Worte deutete, schwand Leos Zuversicht rasch.
    Wenn er schon nicht verstand, was der andere ihm damit sagen wollte, wie könnte er ihn dann nach so heiklen Angelegenheiten befragen, die ihm auf der Seele brannten?
    Leo beschloss, sich als Erstes zu stärken. Das Brot war knusprig, der Käse frisch, und die Oliven waren so würzig in grünlichem Öl eingelegt, dass sie besonders mundeten. Schließlich zog Giorgio mit breitem Grinsen noch ein stattliches Stück Schinken hervor, von dem er mit seinem Messerchen feine Scheiben für sie beide abschnitt. Dazu ließ er einen Weinkrug zwischen ihnen hin und her gehen, aus dem beide tranken.
    Wer aus Assisi mochte den Eremiten derart verwöhnen?
    Als könnte Giorgio Leos Gedanken lesen, wurde sein Grinsen noch eine Spur breiter.
    »L’ombra« , sagte er und begann genüsslich zu kauen. »Ma sai, si deve pagare per tutto.«
    Der Schatten – aber weißt du, man muss für alles bezahlen? Was in aller Welt sollte das bedeuten?
    Leo wurde immer unbehaglicher zumute. Ganz augenscheinlich hatte er sich zu viel vorgenommen. Selbst wenn er die fremden Worte ausnahmsweise verstand, so wollte es ihm doch noch lange nicht gelingen, sie in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen.
    »L’ombra?« , versuchte er wenigstens sein Glück. »Non capisco. Chi è …«
    Erstaunlich behände für sein Alter, war Giorgio aufgesprungen
und begann voller Erregung loszuschreien. Leo, der jetzt gar nichts mehr verstand, blieb sitzen und sah ihn verdutzt an.
    Irgendwann wurde der Eremit wieder ruhiger. Mit einem Ausdruck des Bedauerns musterte er seinen Gast und zuckte die Schultern, dann drehte er sich um und ging steifbeinig davon.
    Leo folgte ihm nach einiger Zeit. Er fand ihn in der Kapelle, wo er auf einer der schiefen Holzbänke kniete und lauthals in seinem unverständlichen Dialekt Psalmen schmetterte, wie Leo vermutete. Erst zögerte er, unschlüssig, wie er sich verhalten sollte, schließlich kniete er sich neben den Alten und sang einfach auf Lateinisch mit, was immer ihm in den Sinn kam.
    Damit schien er den Geschmack des anderen getroffen zu haben. Giorgios Miene wurde entspannter, sein Singsang noch lauter, und als sie schließlich gemeinschaftlich am Ende angelangt waren, verschönte ein zufriedenes Lächeln seinen eingefallen Mund.
    »Vieni!« , befahl er, und Leo folgte ihm gehorsam.
    Der Eremit lief direkt in den Wald, und schon bald schlossen sich Laub- und Nadelbäume hinter ihnen wie ein dichter grüner Schutzwall. Der Pfad war schmal, mal moosbewachsen und weich, dann wieder von mächtigen Baumwurzeln durchzogen und damit uneben und hart, doch Giorgios nackte Füße schienen Sohlen wie dickes Leder zu haben, so sicher und mühelos lief er dahin.
    Ein Eichelhäher flog auf, Kaninchen kreuzten ihren Weg, um bei ihrem Anblick in wilder Hast davonzulaufen, zwischen uralten Baumstämmen stand ein Reh mit zwei Kitzen, die unverwandt zu ihnen schauten, bevor sie im Wald verschwanden. Es war so still, dass Leo sein Herz überlaut schlagen hörte.

    Wohin führte ihn Fra Giorgio?
    Irgendwann, auf einer kleinen Lichtung, die sich unerwartet

Weitere Kostenlose Bücher