Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
zu suchen?
    Das Fragment eines Plans, das erkannte Leo, als er das Pergament auffaltete. Es war brüchig und voller Stockflecken, als wäre es vollkommen nass geworden und später wieder getrocknet. Offenbar eine Art Landkarte, denn er
sah schwarze und wenige rote Kreise, die Orte bedeuten konnten, dazwischen auch ein paar verblasste blaue Linien, die wohl Flüsse oder Bäche darstellten. Doch alles war schwerlich zu entziffern, denn der größte Teil fehlte.
    Val … las er. Sac … Die linke Seite machte den Eindruck, als sei das Stück schon einmal im Feuer gelegen. Auf alle Fälle hatte jemand den Plan offenbar gewaltsam entzweigerissen.
    Leo ließ das Pergament sinken. Ein neuerliches Geheimnis? Oder nur eine weitere falsche Spur, die ins Nichts führte?
    Aus den Augenwinkeln erkannte er eine Bewegung, und dieses Mal reagierte er sofort. Er rannte zur Tür und bekam den Aussätzigen gerade noch am verblichenen Kittel zu fassen.
    »No, no!« , rief der Mann verzweifelt, wandte sich ab und presste sich ein Tuch vor das Gesicht. »Non toccare – è troppo pericoloso!«
    Es war in der Tat klüger, ihn nicht zu berühren, da die Ansteckungsgefahr erheblich war. Leo ließ von ihm ab, und der Mann lief sofort ein paar Schritte weiter, als wolle er sich in Sicherheit bringen.
    »Senti« , rief Leo ihm nach, »devo sapere …«
    Er verstummte, unfähig, in italienische Worte zu fassen, was er alles wissen wollte.
    Der Aussätzige hielt noch immer sein Gesicht bedeckt, als schämte er sich oder als wäre er nahe am Weinen. Doch er schien Leo zuzuhören.
    Der begann mit dem Plan zu wedeln. Vielleicht würde das Pergament ihn zum Reden bringen.
    »Gehört der dir?«, fragte er. »È tuo?«
    Heftiges Kopfschütteln. Der Mann schien erneut fliehen zu wollen.

    »Wem gehört er dann?«, fragte Leo weiter.
    Achselzucken.
    Der Leprakranke verstand ihn nicht. Wenn nur die fremde Sprache nicht ständig wie ein unüberbrückbares Hindernis zwischen ihm und den anderen stehen würde!
    »Dann werde ich ihn eben mitnehmen«, sagte Leo mehr zu sich selbst als zu dem Fremden. »Und vielleicht findet sich sogar jemand, der mehr damit anfangen kann.«
    Fidelis, die langsam ungeduldig zu werden schien, weil seine Rückkehr so lange auf sich warten ließ, begann zu wiehern. Der Lepröse zuckte zusammen, als habe er einen unsichtbaren Schlag erhalten, und stürzte dann, wie von Dämonen getrieben, in Richtung Bach davon
    Seltsam berührt, schaute Leo ihm nach. War der Mann beim letzten Mal nicht krumm gewesen und hatte deutlich gehumpelt? Und was war eigentlich mit seinen Händen geschehen? Die hatte Leo auch ganz anders in Erinnerung, breiter, von der Krankheit deutlicher zerfressen. Ob der Kranke sein entstelltes Gesicht aus anderen Gründen verborgen gehalten hatte, als um ihn vor dem erschreckenden Anblick zu bewahren? Doch wenn ja, aus welchen?
    Leos innere Unruhe wuchs. Etwas stimmte hier nicht, das spürte er mit jeder Faser seines Körpers.
    Er wusste nur noch nicht, was es war.

    Was war los mit Carlo?
    Er war bleich, als läge eine schwere Krankheit hinter ihm, und so fahrig, dass er die Hände keinen Augenblick ruhig halten konnte.
    Zusammen mit seinem zukünftigen Schwiegervater war er aus dem Kontor der Lucarellis gekommen, doch während
Vasco gefasst wie immer wirkte, konnte Stellas Verlobter seine innere Erregung kaum verbergen.
    Nicht einmal das Essen schien ihm heute zu munden, wie Stella erstaunt feststellte. Er ließ das Perlhuhn nahezu unberührt auf seinem Teller zurück und knabberte nur lustlos an einem mageren Beinchen. Immer wieder glitten seine Blicke zu ihr, doch es war nicht Liebe oder Begehren, was sie in seinen Augen las, sondern nackte Angst.
    War die Begegnung mit dem alten Conte so fürchterlich ausgefallen? Das ging sie doch etwas an! Stella nahm ihren ganzen Mut zusammen.
    »Du hast noch gar nichts von deinem Vater erzählt, Carlo«, sagte sie sanft. »Wird er nun doch zu unserer Hochzeit kommen?«
    Statt einer Antwort weiteten sich auf einmal Carlos Augen, er presste eine Hand vor den Mund, erhob sich unsicher und stieß dabei seinen Stuhl um.
    »Was habt Ihr, figlio ?«, rief Simonetta. »So hilf ihm doch, Vasco!«
    Carlo gab unartikulierte Grunzlaute von sich. Seine Augen schienen aus den Höhlen zu treten. Sein Gesicht war bläulich angelaufen.
    »Er erstickt!«, schrie Ilaria.
    Vasco sprang auf und wollte Carlo stützen, doch der schlug wie wild um sich, vielleicht aus Panik, vielleicht aber auch,

Weitere Kostenlose Bücher