Braut von Assisi
Schwierigkeiten.
»Was geht nur schon wieder in deinem hübschen schwarzen Köpfchen vor?« Wie ein zum Schmusen aufgelegtes Katzenjunges schmiegte Ilaria sich von hinten an Stella und hielt sie mit ihren heißen Händen fest umklammert. »Carlo, oder? Ich möchte wetten, du denkst gerade an ihn.«
Stella atmete tief aus. »Und wenn ich die Hochzeit noch einmal verschiebe?«, murmelte sie, froh, dass sie Ilaria dabei nicht in die Augen sehen musste. »Vielleicht nur um ein paar Monate, was meinst du? Wir könnten einfach ein
gutes halbes Jahr nach euch heiraten. Dann wären jetzt alle Augen auf Federico und dich gerichtet, und wir hätten im Winter ein zweites schönes Fest.«
»Das ist nicht dein Ernst, sorellina !« Ilaria hatte abrupt von ihr abgelassen und stand nun vor Empörung vibrierend im Bett. Das seidene Nachthemd modellierte ihre üppigen Brüste wie die einer Statue. Venus in Person, dachte Stella, soeben erst dem göttlichen Schaum entstiegen. Padre Luca, zweiter Kaplan zu San Rufino, hatte während des Brautunterrichts öfter von den antiken Gottheiten erzählt als von den Pflichten einer zukünftigen Ehefrau und Mutter, und Stella konnte von diesen aufregenden Sagen und wüsten Heroengeschichten gar nicht genug bekommen. Dann jedoch hatte der padre eines Abends Hals über Kopf das Haus verlassen müssen, weil er sich unsterblich in Ilaria verliebt hatte, seine Venus, wie er sie in rührenden Briefen angebetet hatte, die ihm freilich nie gehören würde.
Eine Venus, die gerade auf wenig göttliche Weise schrie und den Mund dabei so weit aufriss, als wolle sie Stella verschlingen. »Willst du Mamma um den Verstand bringen? Und Papà an den Bettelstab? Er ruiniert sich doch ohnehin schon für seine beiden Mädchen. Jedenfalls predigt er mir das Tag für Tag. Wie kommst du nur immer wieder auf solch verrückte Ideen?«
Weil ich dich um dein Glück beneide, dachte Stella, auch wenn ich es dir gleichzeitig von ganzem Herzen gönne. Weil ich immer öfter unsicher bin, die richtige Wahl getroffen zu haben. Weil ich es manchmal richtig mit der Angst zu tun bekomme, wenn Carlos Augen so grausam aufleuchten. Weil ich eben …
»Weil ich eben manchmal ein verrücktes Huhn bin, das nicht genau weiß, wohin es eigentlich gehört«, sagte sie laut und verfluchte dabei innerlich ihre Feigheit.
»Ja, das bist du in der Tat, wenn du solchen Unsinn daherplapperst. « Ilarias weiche Arme umschlossen sie erneut mit erstaunlicher Kraft. »Hierher gehörst du, mein Hühnchen, zu uns, wohin denn sonst? Jeder von uns liebt dich auf seine Weise – Mamma, Papà, ich sowieso und natürlich auch dein Carlo. Der ganz besonders! Du würdest nicht nur seinen männlichen Stolz verletzen, sondern ihm auch das Herz brechen, wenn du jetzt noch einen Rückzieher machst, wo doch alle Vorbereitungen laufen und sogar unsere Brautkleider beinahe fertig sind. Die Hochzeit verschieben – wer hat solch eine wahnwitzige Idee jemals schon gehört! Nein, unser schönes Assisi wird zwei Bräute auf einmal erleben, eine blonde und eine schwarze, die auch noch liebende Schwestern sind. Und damit basta! Ich lasse dich erst wieder los, hörst du, wenn du endlich zur Vernunft gekommen bist.«
Die vertraute Nähe machte Stella ruhiger und besänftigte sogar halbwegs ihr aufgewühltes Inneres. Vielleicht grübelte sie wirklich zu viel. Ilaria und sie waren Schwestern, wenngleich nicht von den gleichen Eltern abstammend, das wusste auch Carlo. Was sollte ihr schon zustoßen, solange sie solchen Rückhalt besaß?
»Soll ich dir heute die Haare flechten?«, schlug sie schließlich vor, um das Thema abzuschließen und auf andere Gedanken zu kommen.
»Du weißt schon, dass wir heute auch noch zu Aldiana müssen«, warf Ilaria ein. »Sie kann unsere nahezu fertigen Gewänder unmöglich durch den Straßenstaub hierher zerren. Und dann würden sie vielleicht gar Federico oder Carlo zu Gesicht bekommen, stell dir das nur einmal vor!«
Auf sie wartete ein Brautkleid in Lichtblau, während das von Stella die Farbe eines zartgrünen Maienwaldes hatte. Selbstredend, dass nur der leiblichen Tochter des
Hauses Simonettas funkelnde Aquamarine zustanden. Stella mussten Jugend und Schönheit schmücken, und davon besaß sie mehr als genug, wie ihre Ziehmutter ihr immer wieder so eindringlich versicherte, als wäre sie selbst nicht gänzlich davon überzeugt.
Stella nickte ergeben. »Ich könnte die kleinen cremefarbenen Perlen dazu nehmen, die du so sehr
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