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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Natur geworden war. Sie »Mamma« zu nennen, wie Simonetta es von ihr erwartete, brachte Stella noch immer kaum über die Lippen, als gäbe es da eine innerliche Barriere, die ihr das verwehrte. Aber hatte Simonetta sie nicht aufgezogen wie eine leibliche Tochter und sich diese Anrede damit tausendmal verdient?
    Beinahe , flüsterte diese aufsässige Stimme in ihr, die sich manchmal einfach nicht zum Schweigen bringen lassen wollte. Immer gerade so, dass du den Unterschied sehr wohl zu spüren bekommen hast .
    Der Unterschied lag neben ihr im breiten Bett und gähnte soeben herzhaft, bevor er sich noch einmal auf die
andere Seite rollte, um eine genüssliche Runde weiterzuschlafen: Ilaria, einzige überlebende Tochter der Familie Lucarelli – wenn man das Findelkind Stella, das man barmherzig als Neugeborenes aufgenommen hatte, nicht mitzählen wollte.
    In Aussehen und Charakter hätten die beiden jungen Frauen unterschiedlicher kaum sein können: Ilaria war groß und blond, mit schalkhaften blauen Augen und einem Wesen, so strahlend und hell wie die Sonne, während die Haare der zierlichen Stella schwarz wie Rabenflügel waren, sie als verträumt und nachdenklich galt, stets mit einer unausgesprochenen Frage in ihren großen Augen, deren Farbe an das silbrig grüne Laub der Olivenbäume erinnerte. Man musste sich schon anstrengen, um Stella überhaupt noch wahrzunehmen, wenn Ilaria zusammen mit ihr den Raum betrat und so unbekümmert lossprudelte, wie es ihrem Temperament entsprach. Doch nach einer gewissen Zeit schien dieser Eindruck zu schwinden, und dann konnte es durchaus Stella sein, die mit ihrer gefühlvollen Art, Geschichten zu erzählen, mit den anmutigen Gesten, die diese begleiteten, und den gekonnt gesetzten Pausen, welche die Spannung noch steigerten, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog.
    »Sternenkind«, so nannte Ilaria sie seit Kindheitstagen und hing in zärtlicher Liebe, die jeden Anflug von Eifersucht vermissen ließ, an ihr. »Eines Tages haben Engel dich auf unserer Schwelle abgelegt, damit ich künftig nicht mehr so allein sein musste, nachdem meine anderen Geschwisterchen doch alle schon im Himmel waren. Und jetzt werden wir zwei schon bald auch noch durch unsere Ehemänner für immer verwandt sein – besser hätte es gar nicht kommen können!«
    Behutsam strich Stella der Schlafenden eine verklebte
Locke aus der Stirn. In Ilaria steckte so viel Leben, dass sie manchmal förmlich zu glühen schien, und so verging in der wärmeren Jahreszeit kein Morgen, an dem sie nicht nass geschwitzt erwachte, einem ungestümen Fohlen gleich, das in seiner Begeisterung im Traum wieder einmal zu weit galoppiert war.
    Dass sie ihren Federico von ganzem Herzen liebte, stand für alle außer Frage. Die beiden schienen füreinander bestimmt, zwei strahlend schöne junge Menschen, die sich selbst genügten; das verriet jeder ihrer Blicke, die sie unablässig tauschten, jede Liebkosung, die sie inzwischen sogar öffentlich wagten. Zudem war Federico della Rocca nicht nur in den Augen der Kaufmannsfamilie eine ausgesprochen gute Partie: wohlerzogen, weit gereist und vor allem adelig, wenngleich leider nicht unbedingt begütert. Doch das Vermögen von Vasco Lucarelli und seine Mitgift für Ilaria, über deren sagenhaftes Ausmaß ganz Assisi nur im Flüsterton Mutmaßungen anstellte, würden ohnehin für ein bequemes, standesgemäßes Leben des jungen Paares sorgen.
    Wenn Stella dagegen an Carlo dachte, Federicos Vetter, mit dem man sie kurz nach Ilaria verlobt hatte, überwogen gemischte Gefühle. Anfangs war er ihr ausgesprochen schmuck und anziehend erschienen, war er doch einer der begehrtesten Junggesellen der Stadt, auf den viele junge Mädchen ein Auge geworfen hatten, und sie hatte kaum fassen können, dass ausgerechnet sie das Ziel seines Werbens sein sollte. Er war mittelgroß und schlank, mit kräftigen Schultern, schmalen Hüften und einem Schopf kastanienbrauner Locken, die ihm etwas Jungenhaftes gaben. Carlo della Rocca besaß eine Vorliebe für ausgefallene Farben und feine Stoffe, die er auf ungewöhnliche Weise zu kombinieren verstand, und keiner der jungen Edelleute
weit und breit trug solch aufwendige Schuhe wie er. Dabei war er alles andere als ein Stutzer oder Lackaffe, sondern wirkte ausgesprochen männlich, mit erlesenen Manieren gesegnet, die ihn überall beliebt machten. Seine galante Art und die vielen Schmeicheleien und Komplimente aus seinem Mund hatten Stella zunächst in eine Art

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