Braut von Assisi
liebst. Was meinst du?«
Ob sie jetzt eine Antwort erhalten würde?
»Das würdest du tun? O ja – bitte! Deine zarten Hände sind nun mal so viel geschickter als Rosinas Wurstfinger.«
Beide prusteten im gleichen Augenblick los.
Erst unlängst vom Küchenmädchen zur Zofe der beiden Bräute befördert, mühte das junge Mädchen vom Land sich noch sichtlich überfordert mit den ungewohnten Pflichten ab. Ihr morgens freiwillig die Haare zu überlassen, konnte bedeuten, sich auf stundenlanges Rupfen und Ziepen einstellen zu müssen, das doch zu nichts führte.
»Dann los!« Ilarias überschäumende Lebenslust hatte sich wieder einmal durchgesetzt.
Sie sprang aus dem Bett; Stella folgte ihr wie beinahe jeden Morgen in einigem Abstand und bekam dabei Gelegenheit, einen Blick auf Ilarias runde Waden zu werfen, die sich unter der dünnen weißen Seide abzeichneten. Federico würde ein Prachtweib zur Frau bekommen, an der so gut wie alles makellos war, während Carlo sich mit einer zerrupften mageren Lerche abfinden musste, an der, wenn überhaupt, einzig und allein die dunkle Haarpracht ins Auge fiel.
Ob ihn wohl vor allem die Aussicht auf die saftige Mitgift verführt hatte, anziehend zu finden, was viele andere junge Männer aus gutem Grund übersehen hatten? Beinahe hätte sie über sich selbst gelacht. Fing sie etwa schon wieder mit diesem hoffnungslosen Grübeln an?
Mit einer ungeduldigen Bewegung riss sie das Fenster auf. Warme Maisonne fiel in das Zimmer und malte runde Kringel auf den rötlichen Steinboden.
Der Tag konnte beginnen.
Die Glocke des Aussätzigen drang an sein Ohr, eine ganze Weile, bevor er ihn sah.
Leo kannte den Ton, denn auch zu Hause in Ulm hatte der Rat vor nicht allzu langer Zeit die tönernen Siechenscheppern abgeschafft, die über Jahrhunderte in Gebrauch gewesen waren, und stattdessen Glöckchen eingeführt, um die Bürger vor dem ungewollten Kontakt mit Leprakranken zu warnen. Eine Fülle weiterer Bestimmungen war erlassen worden, die das Leben der Ausgestoßenen noch schwieriger als bisher gemacht hatten, als wären Ekel und Abscheu, die die Gesunden bei ihrem Anblick empfanden, nicht schon Strafe genug.
Die Liste der Verbote war so endlos, dass er nur das Wichtigste daraus behalten hatte: Das Trinken aus Brunnen und Quellen war ihnen verboten, sie durften keine Kirche betreten und hatten stets ihre eigene Essschüssel mitzuführen. Strengste Strafen erwarteten sie, sollten sie es wagen, sich Kindern zu nähern oder gar einen Gesunden zu berühren. In Ulm befand sich ihre baufällige Behausung außerhalb der Stadtmauer, was sie wehr- und damit schutzlos machte, und auch hier in Assisi schien es nicht viel anders zu sein, denn die Stadt, die er im leichten Dunst aufragen sah, lag noch ein ganzes Stück entfernt. Am liebsten hätte man sie hie wie da wohl ganz davongejagt – aber wer würde sie stattdessen aufnehmen?
Der Mann war inzwischen näher gekommen, humpelnd,
sichtlich unter starken Schmerzen. Das Tückische am Aussatz war, dass er bei jedem ganz unterschiedlich auftreten konnte. Mal begann er im Gesicht und ließ als Erstes die Nase verfaulen, oder er fraß die Augen in den Höhlen. Bei anderen wiederum wurden zunächst die Gliedmaßen taub, bevor die schwärenden Wunden aufbrachen, gegen die es kein Heilmittel gab. Von Aussatz befallen zu werden galt als Strafe Gottes, als weit sichtbares Zeichen, dass der Mensch, der mit dieser Krankheit geschlagen war, schwer gesündigt hatte – wie aber konnte es dann angehen, dass auch unschuldige Kinder daran litten?
Leo zügelte Fidelis, die leise schnaubte. Der Ritt vom Trasimener See war für ihren gerade erst geheilten Hinterlauf offenbar anstrengender als gedacht gewesen. Eine ausgiebige Pause würde ihnen beiden guttun.
Jetzt sah der Aussätzige, der keinerlei Anstalten machte, den schmalen Weg zu verlassen, zu ihm auf.
»Leo« , flüsterte er mit rauer Stimme. »Fra Leone – sei tu?«
Was wollte er von ihm? Und woher konnte er wissen, wer er war?
Leo starrte in das zerstörte Gesicht, das weder eine Nase noch erkennbare Konturen hatte, sondern ihm nur wie eine breiige Masse aus Hügeln und undefinierbaren Tälern erschien. Ekel stieg in ihm auf, dessen er sich im gleichen Augenblick schämte. Hatte Franziskus nicht einen Leprösen herzlich umarmt und sogar auf den Mund geküsst, so die Legenden? Er aber war nun mal nur ein einfacher Mönch und kein Heiliger wie der große Sohn Umbriens.
»Sei ritornato –
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