Braut wider Willen
starrte hinaus, als könnte sie ihn durch schiere Willenskraft zwingen, zurückzukommen. Da sie ihren Blick auf nichts konzentrierte, blieb ihre Sicht zunächst unscharf und das sich ihr bietende, bewegte Bild in Größe und Deutlichkeit schwankend, sodass sie Brain Morse kaum bemerkte, als er auftauchte. Und als sie ihn gewahrte, zwinkerte sie und stieß einen leisen Schrei aus, als müsste sie Verstand und Augen klären, und starrte noch einmal hin.
War es tatsächlich Brian? Ja, er war unverwechselbar. Elegant ausstaffiert wie immer, Mantel und Breeches dunkelgrün, Spitze an Hals und Handgelenken, das Schwert an der Hüfte, so schritt er vorüber und auf das heruntergekommene rote Backsteinhaus im Hintergrund zu. Eine Tür stand offen. Brian hielt inne, blickte um sich und betrat dann das Haus mit dem Gehaben eines Menschen, der genau weiß, was er tut.
Phoebes Herz schlug wie wild. Er war Cato gefolgt. Und was immer Cato sagen mochte, Brian Morse war nicht mit guten Absichten nach Rotterdam gekommen. Cato befand sich irgendwo in der Stadt, und Brian hatte sich ihm an die Fersen geheftet. Die Ahnung von Brians Bösartigkeit ließ sie von neuem schaudern. Cato mochte die Bedrohung, die von ihm ausging, gering einschätzen, aber Phoebe wusste es besser.
Sie drehte sich wild entschlossen um. Das Black Tulip. Was war das? Wo war es? Vermutlich irgendeine Kneipe. Sie zog sich mit zitternden Fingern an, dann lief sie zwischen Tür und Fenster hin und her und zermarterte sich den Kopf nach einer Fluchtmöglichkeit.
Sie starrte verzweifelt aus dem Bullauge, als der Schlüssel in der Tür umgedreht wurde und die Tür sich öffnete.
»Hier ist Euer Frühstück.« Der Kabinenjunge trat mit einem Tablett ein. »Der Captain und Lord Granville sagen, dass Ihr hier drinnen bleiben sollt.« Er beäugte sie neugierig und stellte das Tablett auf den Tisch.
Phoebe überlegte blitzschnell. Dies war ihre einzige Chance. Der Junge hatte ihr schon einmal geholfen. Vielleicht würden dieselben Lockmittel auch jetzt wieder wirken. »Weißt du, was das Black Tulip ist?«, fragte sie.
»Eine Taverne … in der Stadt… hinterm Kai.«
»Gut. Jetzt hör zu, es ist keine Zeit zu verlieren«, sagte Phoebe drängend. »Wenn du die Tür nicht zusperrst, bekommst du noch zwei Guineen.«
Dem Jungen blieb der Mund offen. »Das getraue ich mich nicht«, stieß er atemlos hervor.
»Niemand wird dir die Schuld geben.« Phoebe holte ihre Börse unter dem Strohsack hervor. Sie schüttelte zwei Guineen heraus, die sie auf den Tisch neben das Tablett legte. »Du brauchst nur so zu tun, als würdest du die Tür versperren, und deiner Wege gehen.«
Die Münzen blinkten in der Sonne. Der Junge konnte den Blick nicht von ihnen losreißen. »Ich wage es nicht«, wiederholte er im Flüsterton.
»Falls Lord Granville wütend wird, dann wird sein Zorn mich treffen und nicht dich, da kannst du ganz sicher sein«, sagte Phoebe wahrheitsgemäß. »Ich verspreche dir, dass er nicht dir die Schuld geben wird.«
»Aber der Captain …«
»Der wird dir nur dann die Schuld geben, wenn Lord Granville sich beklagt«, erklärte sie, ohne sich ihre Verzweiflung anmerken zu lassen. Die Zeit raste. »Und der wird sich über dich nicht beklagen.« Sie schob die Münzen ein wenig näher an die Tischkante.
Der Junge zögerte und überlegte. Es stimmte, dass es zu keinen unangenehmen Konsequenzen gekommen war, nachdem er Lady Granville an Bord gelassen hatte. Der Captain hatte keine Einwände erhoben, niemand hatte von seiner Beteiligung etwas geahnt, und Lord Granville und seine Gemahlin schienen die Überfahrt in aller Eintracht hinter sich gebracht zu haben.
Vier Guineen waren für ihn ein Vermögen und überstiegen alle seine habgierigen Träume. »Ich weiß nicht…«
»Überlass mir deine Mütze und dein Wams«, sagte Phoebe, die einen Sovereign aus der Börse holte und ihn neben die Guineen legte. »Nach meiner Rückkehr bekommst du die Sachen zurück. Ich muss meinen Mann finden, da ich ihm unbedingt etwas zu sagen habe. Wenn nicht, wäre es eine Katastrophe.«
Der eindringliche Blick ihrer klaren blauen Augen war völlig aufrichtig und überzeugte den ohnehin bereits Willigen endgültig.
Er schlüpfte aus seinem Wams und warf seine Mütze auf den Tisch. »Sie möchten die Sachen wirklich?«
»Ja, die sind das Wichtigste.« Phoebe sammelte die Münzen ein und übergab sie ihm. »Hier.«
Er steckte das Geld ein und ging zur Tür. »Ich drehe den
Weitere Kostenlose Bücher