Braut wider Willen
griff nach dem Fläschchen und führte es an den Mund. Manchmal beruhigte der Brandy den Magen und brachte am Ende gnädigen Schlaf.
»Wie schrecklich«, sagte Phoebe voller Mitgefühl. »Wirklich sonderbar, dass ich nicht das geringste Unbehagen verspüre.«
»Was für ein Glück für dich«, murmelte Cato trocken. An der Reling lehnend, hielt er den Flaschenhals locker zwischen Zeigefinger und Daumen, während die feurige Flüssigkeit ihm durch die Kehle und in seinen geplagten Magen rann.
»Tatsächlich habe ich großen Hunger«, sagte sie mit grausamer Offenheit. »Das macht wohl die Seeluft.« »Ekelhaftes Ding!«, erklärte Cato mit Nachdruck, ehe er sich stöhnend umdrehte und den Brandy den Wellen übergab.
»Entschuldigt, aber ich wollte die Sache nicht noch verschlimmern«, rechtfertigte Phoebe sich.
»Geh bloß weg!«
Das ist vielleicht wirklich am besten, dachte Phoebe. Sie konnte ihm in seinem Elend ohnehin nicht helfen. Und sie war halb verhungert. Sie löste sich von der Reling und fragte sich, wo es auf dem Schiff etwas zu essen geben mochte, als sie den Kabinenjungen auf sich zukommen sah.
»He, Ihr schuldet mir noch eine Guinee«, sagte er und packte ihren Arm. »Ich hab's niemandem verraten.«
»Ach ja.« Phoebe griff nach ihrer Börse, als ihr etwas einfiel. »Du bekommst die Guinee, wenn du mir etwas zum Essen in die Kabine bringst. Lässt sich das machen?«
»Was wollt Ihr?« Er sah sie nachdenklich an. »Könnte sein, dass ich an Brot und Käse komme.«
»Perfekt. Und Milch. Gibt es hier Milch?«
»Nee!« Der Junge schüttelte in unverhohlener Verachtung den Kopf. »Milch auf einem Schiff! Herrjeh, Ihr habt wohl keine Ahnung.«
»Nicht von Schiffen«, gab Phoebe ihm hoheitsvoll Recht und schüttelte die Börse, dass es nur so klirrte.
»Es gibt Ale«, schlug der Junge beim Klang des Geldes vor. »Das könnte ich Euch bringen.«
»Danke. Das wird passen.« Phoebe nickte ihm zu und ging unter Deck.
Seekrankheit ist ein heimtückisches Leiden, dachte Phoebe, als sie zur Kabine lief und auf Brot und Käse wartete.
»Ach, ich glaube, wir haben angelegt.« Phoebe setzte sich in ihrer Koje – mit gesenktem Kopf – auf. Die Erfahrung der letzten Woche hatte sie gelehrt, wie gefährlich unvorsichtige Bewegungen im oberen Bett waren. Nach dem rosigen Licht zu schließen, das durch das Bullauge fiel, war es frühmorgens, und das Schiff lag still. Das Rasseln der Ankerkette und geschäftiges Treiben auf dem Deck über ihr hatten sie geweckt. Nun hörte man mehr Gepolter und Geschrei als an den Tagen auf See.
»Cato?«, sagte sie, als aus der unteren Koje keine Antwort kam. Sie beugte sich vor und spähte über die Kante ihres Bettes in den schmalen Raum darunter. Er war leer.
Phoebe arbeitete sich aus ihrer Koje und stieg die Leiter hinunter, ohne zu ahnen, dass ihr Mund vor Enttäuschung verkniffen war. Nachdem Cato am zweiten Tag wieder seetüchtig geworden war, hatte er sie immer auf eine Weise geweckt, die ihr Blut in Wallung brachte. Heute Morgen freilich nicht.
Sie ging ans Bullauge und sah hinaus. Sie hatten an einem Kai festgemacht, auf dem es vor Seeleuten, Lastenträgern und Fuhrwerken wimmelte. Obwohl ihr Blickfeld sich auf ein kleines Stück gepflasterten Kai und ein rotes, etwas windschiefes Backsteinhaus ein Stück dahinter beschränkte, sah sie, dass trotz der frühen Stunde hektisches Treiben herrschte.
Als die Kabinentür geöffnet wurde, fuhr sie herum. »Wir sind da.«
»Eine logische Schlussfolgerung«, gab Cato ihr mit unmerklichem Lächeln Recht. Hinter dem Lächeln aber spürte Phoebe etwas anderes, das ihr ein wenig Unbehagen bereitete.
Er schloss die Tür und sagte ruhig: »Setz dich, Phoebe. Wir müssen etwas besprechen.«
Phoebe sah ihn unsicher an. »Was denn?«
»Setz dich.« Er legte ihr die Hände auf die Schultern und drückte sie auf den Schemel nieder, dann lehnte er sich an die geschlossene Tür, verschränkte die Arme und sah sie aufmerksam an.
Er war lässig in Hemd und Breeches gekleidet. Sein Wams stand offen, sein dunkles Haar war vom Wind zerzaust. Ein früher, durch das kleine Bullauge einfallender Sonnenstrahl zauberte einen Hauch Gold darauf. Phoebe sah den Puls an seiner kraftvollen Kehle schlagen, und in ihr regte sich vertrautes Verlangen. Sie vergaß das Prickeln der unangenehmen Vorahnung und wollte aufstehen, doch als er wieder zum Sprechen ansetzte, bewirkte der Ernst seines Tonfalls, dass sie sitzen blieb.
»Ich werde dir eine
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