Braut wider Willen
wusste doch, dass es ein Albtraum war, der landauf landab viel zu oft Wirklichkeit wurde.
Der Hexenjäger drehte sich zu den Dörflern um. »Ihr habt gehört, wie sie mich verfluchte und den Teufel anrief. Fasst alle beide. Wir werden sie stechen und das Teufelsmal finden.«
»Wenn Ihr mich anfasst, werdet Ihr Euch vor Lord Granville verantworten.« Phoebe hob die Hände, als könne sie so die Menge abwehren, die sich bereits auf die Frauen zu in Bewegung gesetzt hatte.
Nun aber zögerten die Leute, und Phoebe schöpfte Hoffnung. Doch der Hexenjäger verstand sich darauf, die Stimmung der Menge anzuheizen.
»Findet sich kein Teufelsmal, dann haben sie nichts zu fürchten. Nur der Schuldige widersetzt sich einer Prüfung. Wollt ihr weiterhin den Teufel in eurer Mitte haben und zusehen müssen, wie eure Kinder sterben, wie die Ernte verdirbt und das Vieh auf der Weide krepiert?«
»Nein, nein, fort mit dem Teufel!«, schrie eine Frau im Hintergrund, diejenige, deren Kind gestorben war. Mit hassverzerrtem Gesicht drängte sie sich nun vor. Aus ihrem Blick sprach an Wahnsinn grenzender Kummer. »Sie hat mein Kind getötet.« Sie deutete auf Meg. »Sie hat es mit einem Fluch belegt, dass es starb.« Sie spuckte Meg ins Gesicht.
Das war das Signal für die Übrigen, auf die zwei Frauen einzudringen und Phoebe und Meg zu umringen. Hände griffen nach Phoebe, hielten ihr die Hände im Rücken fest, banden ihre Gelenke mit Stricken. Sie verwünschte sie mit jedem unflätigen Ausdruck, den sie jemals unter dem Gesinde aufgeschnappt hatte.
Sprang man mit Phoebe grob um, so wurde Meg mit wilder Brutalität misshandelt, indem man sie kratzte und herumstieß, während man sie band. Ein heulendes Kreischen, das sich wahrhaft höllisch anhörte, ließ plötzlich die Luft erbeben. Ein schwarzes Bündel sauste zischend, fauchend und mit gespreizten Krallen durch die Luft, um auf dem Rücken eines von Megs Peinigern zu landen.
Er schrie auf, als die Krallen des Katers sich in seinen Rücken gruben, und der Hexenjäger rief voller Befriedigung aus: »Ihr Schutzgeist! Ich brauche keine Nadel. Wir werden die Hexe tauchen.«
»Ja, tauchen … die Hexe tauchen.« Der Ruf wurde aufgegriffen, und Megs Kater ließ den Mann los und sprang wieder aufs Dach. Sekundenlang sah man ihn noch auf dem Giebel, dann verschwand er als schwarzer Strich.
Phoebe rang nach Atem. »Man kann eine Hexe nicht tauchen, wenn sich kein Mal an ihr fand«, wandte sie verzweifelt ein. »Das ist nicht erlaubt. Ihr wisst genau, dass Ihr das nicht tun könnt.«
Jetzt ging es nur noch darum, Zeit zu gewinnen. Wenn Meg die Tortur des Stechens über sich ergehen lassen musste, war es schon schlimm genug. Wurde sie aber mit an die Fesseln gebundenen Handgelenken ins eiskalte Wasser geworfen, würde sie ertrinken. Hielt sie den Atem an und kam wieder an die Oberfläche, würde man sie erst recht als Hexe verbrennen. Wenn kein Wunder geschah, war sie verloren.
»Ja, sie hat Recht«, hörte man Bill Watson bedächtig sagen. »Wir müssen nach Gesetz und Sitte vorgehen. Anders wäre es nicht richtig.«
Beifälliges Raunen wurde hörbar, und der Hexenjäger sagte, nachdem er kurz die Stimmung der Leute abgeschätzt hatte: »Das ist mir einerlei. Ich kann Hexen riechen, doch wenn ihr einen Beweis wollt, sollt ihr ihn haben. Schafft sie her.«
Er schritt durch die Menge, die sich vor seinem Stock teilte wie das Rote Meer vor Moses. Die Leute scharten sich um Meg und hoben und schoben sie der hohen Gestalt des Hexenjägers hinterher.
Phoebe stolperte irgendwie dahin. Sie spürte nicht nur ihr eigenes Leid, sondern auch das Megs, deren Gesicht völlig zerkratzt und blutig war. Ihr Kleid war zerrissen, ihre Brust entblößt, in ihrer Miene aber stand grimmige Entschlossenheit. Vor diesem Pöbel würde sie sich nicht das kleinste Anzeichen von Schwäche anmerken lassen.
Im Apfelspeicher starrte Olivia aus der kleinen runden Fensteröffnung, als die Prozession davonflutete. Dann brachte sie die Leiter in die Küche halb springend, halb rutschend hinter sich und griff nach Megs Messer, das auf dem Brotbrett auf dem Tisch lag. Sie hatte keine Ahnung, was sie damit anfangen sollte, doch der Besitz einer Waffe verlieh ihr Sicherheit.
Sie zog die Kapuze ihres Umhangs dicht ums Gesicht, als sie die Verfolgung des Mobs aufnahm, durch den Wald neben dem Pfad, bis sie die Leute eingeholt hatte. In der Hitze der Erregung schenkte man der vermummten Gestalt, die sich unter die
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