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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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Gardine zu, wodurch das Zimmer dämmrig und duster wurde, »und es kostet dich keinen Cent.«
     
    Es war ein sehr kühner Plan, sie konnten sich nicht erlauben, dass etwas schiefging. Dessen waren sie sich alle drei hundertprozentig bewusst. Sie stellten sich auf einen Zeitraum von drei Monaten ein, in dem sie zusehen mussten, wie sie es in diesem begrenzten Wohnraum aushalten würden. Hans hatte das Glück, dass er morgens in der Früh wegfahren konnte und erst abends zurückkehrte. Marjorie versuchte, nicht an das Kind zu denken, und konzentrierte sich auf Esther, eine Freundin, die in Schwierigkeiten war und die nicht vergeblich bei ihr um Hilfe gebeten hatte.
     
    Die Zeit im Wohnwagen erschien ihnen endlos. Insbesondere tagsüber, wenn sie zu zweit waren. Sie tranken Tee und rauchten Zigaretten. Marjorie, die es insgeheim genoss, einmal wieder nach Herzenslust niederländisch reden zu können, gab ihr Wissen über Schwangerschaft zum Besten, um Esther zu beruhigen und um sie auf das, was kommen würde, vorzubereiten. Sie beruhigte sich damit jedoch in erster Linie selbst. Sie turnte Gymnastikübungen vor (die Esther nie nachmachte), maß Esthers Blutdruck mit dem Blutdruckmesser aus der
Pharmacy
, horchte mit dem hölzernen Trichter nach dem kleinen Herzen und erzählte unermüdlich Anekdoten aus der Zeit, als sie noch im Onze-Lieve-Vrouwe-Krankenhaus auf der Entbindungsstation gearbeitet hatte. Vor allem die Geschichte von einer übergewichtigen jungen Bäuerin, die ins Krankenhaus kam, weil sie einen höllischen Schmerz im unteren Rücken verspürte und ein paar Stunden später dann schockiert auf das Baby in ihren Armen gestarrt hatte, wiederholte sie fast täglich. »Neun Monate lang nichts gemerkt«, erklärte sie jedes Mal am Ende, »dachte nur, dass sie etwas Falsches gegessen hatte.« Marjorie erzählte von Geburten, die besonders lange gedauert hatten, und wie schwierig und sogar gefährlich es gewesen war – dass es vor ihren eigenen Augen auch einmal schiefgegangen war, verschwieg sie wohlweislich. Die Abmachung war, dass es gutgehen würde. Sie fragte sich im Stillen, wie viel Schmerz Esther wohl aushalten würde.
    Esther sagte nicht viel, die Schwangerschaft schien sie nicht sonderlich zu interessieren. Doch ihre Hände lagen keine Sekunde lang still. Sie stellte ihre Nähmaschine auf dem wackligen Campingtisch auf und steppte Babydeckchen, bestickte Kissenbezüge oder heftete Gummiband in Babyhöschen. Sie schlug Marjorie vor, ihr Brautkleid zur Verfügung zu stellen, damit sie daraus Strampelanzüge machen konnte. Marjorie fragte, ob sie verrückt geworden sei. Es ist für das Kleine, erklärte Esther (sie sprachen nie von deinem oder meinem Kind, sondern sagten immer »das Kleine«). Das Argument war überzeugend, und kurz darauf holte Marjorie murrend das zerknitterte weiße Pikee aus dem Koffer. »Dann mach wenigstens ein Taufkleid daraus«, grummelte sie. Dagegen wiederum weigerte Esther sich strikt. Von Taufe war nicht die Rede gewesen. Doch kurze Zeit später saß sie über ihre Skizzen gebeugt – sie biss sich dabei auf die Lippen und pfiff leise –, weil sie eine Vision vom schönsten Taufkleid aller Zeiten gehabt hatte. Und so entstand in den Wochen danach der Traum von einem Taufkleid, mit Rüschen und perfekten stoffüberzogenen Knöpfen und unendlich vielen Schichten Spitze – sie schnitt sie aus dem Schleier heraus – und einem Leibchen von feinster Smoke-Stickerei. »Oh dear, oh dear«, sagte sie zufrieden seufzend, und als sie fertig war, überreichte sie Marjorie die Kreation mit einem überheblichen Nicken und den Worten: »Und wag es bloß nicht, das Kleine zu taufen.« Sie strickte Kinderpullöverchen mit phantastischen Mustern, die aus ihrem Kopf heraus, wie in Trance, entstanden. Für sich selbst fehlte ihr etwas die Inspiration. Marjories Angebot, in der Stadt eine weite Jacke für sie zu kaufen, schlug sie voll Abscheu aus. Es war ja nur gut gemeint, sagte Marjorie beleidigt. Esther zuckte die Schultern und setzte einen Keil in einen violetten Bouclé-Rock ein, den sie selbst als einen misslungenen Versuch bezeichnete (wozu Marjorie ihr nur beipflichten konnte). Dann zog sie eine rote Weste darüber, die sich bis zum Ende mit ihrem Bauch mitdehnen würde. Sie malte sich die Lippen an und sah beeindruckend aus. Doch sie machte unmissverständlich klar, dass diese Kleider ihr Ende im Feuer finden würden, nachdem, nachdem. Sodass diese ganze Episode in Rauch

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