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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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Zähnen klapperte. Marjorie zog ihr die Decke bis zum Kinn und stopfte sie an allen Seiten fest um sie herum, kontrollierte, ob die Wärmflasche gut an ihren Füßen lag. Sie streichelte über die platt gelegenen, traurig herabhängenden Locken. Keine Bewegung, nur das Zittern. Dann hörte man unter den Decken eine erstickte Stimme, Marjorie musste sich herunterbeugen, um sie zu verstehen. »Was sagst du?«, flüsterte sie. Etwas mit »sicher leben«, verstand sie, die Worte gedämpft durch eine Schneeschicht gefrorener Tränen.
    »Versprochen«, sagte sie und fühlte sich dabei von den ernsten Gesichtern des Vaters, der Mutter und des kleinen Bruders in dem Bilderrahmen beobachtet.
    Dann schloss sie hinter sich die Tür und fing an, den Wohnwagen aufzuräumen. Ihnen blieb nicht viel Zeit. Um acht Minuten nach halb fünf an diesem Nachmittag würde ihr Sohn geboren werden.

15
    Außerhalb von Christchurch hörte ziemlich bald die Zivilisation auf, und es erstreckte sich eine undefinierbare Landschaft. Weite Flächen waren mit langsam schmelzendem Schnee bedeckt. »Ich würde das hier«, bemerkte sie und hörte sich dabei selbst wie trunken, mit schwerer Zunge sprechen, »als Niemandsland bezeichnen.« »Das stimmt, mein Schatz«, sagte Hans, der nicht zuhörte, weil er zu nervös und ergriffen war. Er versuchte, seine Aufmerksamkeit auf die eisglatte Straße zu richten. Hans traute sich nicht, schnell zu fahren, denn auf dem Boden zwischen Vorder- und Rücksitz war ein Pappkarton geklemmt und darin lag – in dicke Decken gewickelt und von heißen Wärmflaschen umgeben – das Baby. Für die Außenwelt unsichtbar, weil es dieses offiziell noch nicht gab. Das einzige Mal, dass sie von einem anderen Auto überholt wurden, sorgte Marjorie dafür, dass sie gut sichtbar, mit gequältem Gesicht, auf dem Beifahrersitz hing. Den dazu passenden besorgten Gesichtsausdruck hatte Hans schon von selbst. Nicht, dass jemand sie beachtete, aber sie gingen kein Risiko ein. »Ich würde es«, setzte sie nach einer Weile erneut an, »als einen nicht existenten Zeitpunkt bezeichnen, an dem alle Karten neu gemischt werden.« Die Worte kamen schleppend hervor, dennoch war sie auf eine merkwürdige, halluzinierende Weise hellwach. »Man verschwindet in einer grünen Ebene«, redete sie weiter, »es geht immer weiter, nichts als Grün und Weiß um einen herum, und wenn du da wieder herauskommst, hast du ein Baby.« Sie sah zwischen die Sitze. Das Kind schlief. Sie hatte ihm seine erste Flasche gegeben, noch im Wohnwagen, kurz bevor sie nach Christchurch gefahren waren, um Esther nach Hause zu bringen.
    Nun tauchten die ersten Hügel und Bahngleise neben dem Weg auf. »Hier ging es mir schon sehr schlecht«, sagte sie. Die Fahrt Richtung Norden hatte sie vorher berechnet, die Karte vor sich auf dem Tisch ausgebreitet. Sie führten grimmig und entschlossen ein Theaterstück auf, und dies war die Generalprobe. Hans war der Stichwortgeber.
    »Was habe ich davon gemerkt?«
    »Ich klagte bereits über Schmerzen in meinem unteren Rücken.«
    »Richtig.«
    »Darüber klagte ich schon seit Wochen.«
    »Woran lag das, deiner Meinung nach?«
    »An den
Pumpkins
, am Essen hier. Meine Verdauung war schon seit Monaten nicht ganz in Ordnung.«
    »Meine auch?«
    »Nein, du hattest keine Probleme, denn du bist ja schließlich schon viel länger hier.«
     
    »Ich hatte schon länger nicht mehr meine Regel.«
    »Warum hat dich das denn nicht beunruhigt?«
    »Ich hatte leichte Blutungen. Darum dachte ich, ich hätte meine Regel.«
    »Ach so.«
    »Aber es hielt nie lange an.«
    »Woran dachtest du, könnte das liegen?«
    »Ich dachte, es käme von dem Flug.«
     
    »Mir war schon aufgefallen, dass mein Bauch dicker wurde.«
    »Ach ja?«
    »Verstopfung, dachte ich, vom Essen.«
    »So einen dicken Bauch, nur von Verstopfung?«
    »So groß war der Bauch gar nicht.«
    »So, so.«
     
    »Wie war das eigentlich möglich?«
    »Was?«
    »Dass der Bauch so klein blieb, als du schwanger warst – was wir nicht wussten, was du aber warst. Auch wenn du es in Wirklichkeit nicht warst.«
    »Ich war in Wirklichkeit schwanger.«
    »Ja, aber … jetzt wird es mir zu kompliziert.«
     
    »Zurück zum Bauch, warum der Bauch nicht dicker geworden ist.«
    »Und?«
    »Weil ich starke Muskeln habe. Ich mache viel Sport und habe daher starke Bauchmuskeln. Die haben dann dagegengewirkt. Das kann passieren. Darum wusste ich es nicht.«
    »Aber als du dann wochenlang Schmerzen

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