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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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hattest …«
    »Ja?«
    »Wieso bist du dann nicht zum Arzt gegangen?«
    »Weil ich eine eigensinnige Krankenschwester bin, die denkt, dass sie alles besser weiß.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Nein, das ist doch die Geschichte.«
    Zwischendurch schwiegen sie, lauschten angespannt auf die Geräusche des Babys. Hegten angstvolle Gedanken.
     
    Der Weg ging hoch in die Hügel hinauf. Unten lag ein glühendes Tal, malerisch, im fahlen Mittagslicht. In der Tiefe war der Fluss nur als dünner Strich zu sehen. Tannenbäume mit tropfenden Ästen. Marjorie sah den Weg schmaler und dann wieder breiter werden, komisch, was Schlafmangel mit einem machte. »Hier bekam ich langsam Panik. Ich wusste nicht mehr, was mit mir los war. Die Stiche kamen in immer kürzeren Abständen. Ich konnte nichts mehr dagegen tun.«
    »Was haben wir dann getan?«
    »Nichts, wir sind so schnell wie möglich weitergefahren. Hier ist ja schließlich nichts.«
     
    Dann auf einmal, nach einer Kurve, war der Südpazifik zu sehen, das Wasser war aufgewühlt und spritzte tosend gegen die Felsen. Trotz der Anspannung verspürte Marjorie Begeisterung. »Sieh nur«, rief sie, »Seehunde!« Die Straße wurde kurvig, links die Eisenbahnschienen, rechts das Meer. Sie fuhren durch kleine Tunnel hindurch und sahen noch mehr Felsen im Meer, in der Luft die Möwen. Der Weg wurde nun so kurvenreich, dass ihr übel wurde, wie einer echten Schwangeren. In Kaikoura hielten sie in der Nähe eines Hauses an und hofften, dass sie gesehen wurden. Sie blieben ein paar Minuten neben ihrem Auto stehen. Marjorie krümmte sich und machte die Gebärden einer Schauspielerin, die Rückenschmerzen und Übelkeit darstellt. Sie konnte noch immer nichts essen, und ihr Magen fühlte sich so hohl an, dass sie allmählich wirklich Schmerzen verspürte. Ihr Zwerchfell war gespannt und fühlte sich an wie aus Stahl. Sie lehnte sich mit der Stirn ans Autodach, trampelte mit den Füßen, wie sie es bei Esther gesehen hatte und lebte sich leidenschaftlich in ihre Rolle ein. Ich hätte Schauspielerin werden sollen, dachte sie. Das ist ein gutes Gefühl, als würde ich mehr als ein Leben führen. Hans stand ein bisschen verloren daneben. Es war nasskalt. Da sie nicht sehen konnten, ob dort überhaupt jemand im Haus war, fuhren sie schnell weiter. Marjorie kontrollierte die Wärmflaschen, die noch immer genügend Wärme abgaben. Das Kind schlief. Die kleinen Hände schauten heraus, die Handgelenke elegant nach oben abgeknickt. Sie steckte sie vorsichtig unter die Decken. Ihre Augen drehten sich die ganze Zeit über nach innen. Der verschwommene Ausdruck kam ihr gelegen, er machte alles glaubhafter.
    »Nennen wir ihn erst nach deinem Vater und dann nach meinem, oder umgekehrt?«, fragte Hans.
    »Wir wissen doch nicht einmal, dass wir ein Kind bekommen«, antwortete sie.
     
    Auf dem Weg zwischen Kaikoura und Blenheim war es vollkommen ausgestorben. Sie waren schon eine ganze Weile niemandem mehr begegnet. Eine ausgedehnte Dünenlandschaft. Die Straße rollte bergauf und bergab. Die Übelkeit kam zurück.
    »Warum fahren wir hier entlang?«, fragte Hans.
    Sie lächelte schwach. »Das klingt ja wie im Katechismus. Warum sind wir auf der Welt?«
    »Und?«
    »Wir ziehen vom Süden in den Norden, weil du einen neuen Job in Wellington hast, und wir wollten uns für den Weg dorthin etwas Zeit nehmen.«
    »Und ein bisschen vom Land sehen.«
    »Stimmt.« Es klang wie ssstimmt, weil ihre Zunge langsam nicht mehr mitmachte. Sie kicherte.
    »Warum sind wir nicht mit dem Schiff nach Wellington gefahren, zusammen mit unseren Sachen?«
    »Dann hätten wir nichts von der Gegend gesehen. Das Schiff fährt nachts.«
    »Hm.«
    »Und wir wollten über die Marlborough Sounds fliegen.«
    »Ich dachte, dass du nach dem Luftrennen nie mehr fliegen wolltest?«
    »Du hast mich überzeugt.«
    »Ich dich überzeugt?«
    »Ja.«
    »Wie hab ich das denn geschafft?«
    Sie lachte und kitzelte ihn im Nacken. Tränen in den Augen. Ich bin genauso labil wie eine schwangere Frau, dachte sie. Und ich sehe genauso aufgeblasen aus. Es muss klappen.
     
    »Warum hatten wir so viele Decken bei uns? Und Wärmflaschen?«
    »Weil es im Auto kalt war. Du sollst keine überflüssigen Fragen stellen.«
    Von Zeit zu Zeit dämmerte sie in einen Traumzustand weg und war zugleich wacher denn je. Aber er konnte nicht aufhören, weil er immer nervöser wurde, je weiter sie sich Blenheim näherten.
    »Und die Flaschen, und das Milchpulver, und die

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