Brautflug
um zu wissen, in welchem Schockzustand sich diese jungen Menschen befanden.
Baby present
, trug sie ein, und es wurde unter dem Namen Robertus Johannes Doorman, Rufname Bobby, registriert. Gehen Sie gleich zum Arzt, riet die Dame, aber sie sah ein, dass die drei sich erst einmal ausruhen mussten, daher erklärte sie hilfsbereit, wo sie das Hotel finden würden.
Autos in einem anständigen Zustand waren ein gefragtes Gut in Neuseeland. In der Werkstatt in Blenheim nahmen sie den Station Wagon dankbar entgegen. Von dem Erlös kaufte Hans die Flugtickets. Marjorie wartete in der Lobby des Hotels, als offizielle Mutter mit ihrem Baby auf dem Arm. Erholt. Alle drei hatten sie tief geschlafen, auch wenn die Aufregung sie selbst im Schlaf nicht verlassen hatte. Der kleine Mann hatte zwischen ihnen gelegen. Er hatte das Fläschchen getrunken und danach ein Bäuerchen gemacht. Seine Windeln sahen gut aus. Alles, was er tat, entzückte die beiden.
Aber erst als sie in dem kleinen, rumpelnden Flugzeug von der Südinsel abhoben, wagte sie es, ihrer Begeisterung Luft zu machen. Das Baby weinte, wie zu erwarten. Der Wirbel um das weinende Kind fühlte sich wunderbar echt an. Sie flogen über die schönste Gegend, die sie je gesehen hatte, unter ihnen beschneite Berggipfel auf Inseln, die scheinbar direkt aus dem Meer herauswuchsen. Etwas hatte sich verändert in der Welt. Die Sonne schien anders. Sie lehnte ihren Kopf an die Schulter ihres Mannes. Er traute der Sache noch nicht ganz. »Und warum sind wir am nächsten Tag nicht zum Arzt gegangen, warum haben wir sofort das Flugzeug genommen?« Sie dachte einen Moment nach. »Weißt du«, sagte sie, »wenn das irgendjemand jemals fragen sollte, dann sagen wir: Wo wir herkommen, da entbinden die Frauen zu Hause. Da brauchen wir keinen Arzt.«
Gemeinsam betrachteten sie ihr Kind, das mit sorgenvoll gerunzelter Stirn schon wieder einschlief, und sie lachten verliebt. Du wirst ein gutes und sicheres Leben haben, sagte sie in Gedanken, dafür werde ich sorgen. Und die Tränen schossen ihr in die Augen, weil ihr bewusst wurde, dass sie dieses Kind gerettet hatte. Sie wischte die Tränen lachend fort. Hans sah es und drückte sie an sich. Mein Mädchen, sagte er.
Viel sprachen sie nicht.
Der Wermutstropfen blieb.
Das Schild »Vorübergehend geschlossen«. Esther, die durch das stickige Atelier nach hinten zum Sofa stolperte und sich mit angezogener Jacke hinlegte. Die Stille. Die abgebundenen Brüste, die wehtun würden. Die Stille. Der Geruch vergilbter Stoffmusterteile. Sie hatten sie nicht vernachlässigt zurückgelassen, das nun wirklich nicht, in der Küche standen Taschen mit Essen für die kommenden Tage, und Hans’ halber Monatslohn lag auf dem Zuschneidetisch, da Esther die letzten Monate natürlich nichts verdient hatte. Man konnte ihnen nicht vorhalten, dass sie nichts für sie getan hatten. Doch sie lag so still auf dem Sofa, als sie weggingen.
Dann schüttelte Marjorie den Kopf und sah durch das Fenster hindurch auf die Marlborough Sounds dort unten, auf das Glitzern der Sonne im azurblauen Himmel und auf den schneebedeckten Gipfeln. Es war wunderschön, es fühlte sich an wie eine Belohnung. Alles war gutgegangen. Wieder einmal hatte sie dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen. Jetzt musste sie nur noch das idiotische Gefühl loswerden, dass sie nicht nur ein Kind gerettet, sondern gleichzeitig auch jemanden im Stich gelassen hatte.
16
In der großen Empfangshalle, die möglicherweise Franks Wohnzimmer gewesen ist, ist es gerammelt voll. Auf jedem freien Platz sind Klappstühle aufgestellt worden, dennoch müssen viele Leute stehen. Die drei Frauen sind von Kris auf ein bequemes Sofa gesetzt worden, wegen ihres Alters. Marjorie hat trotz ihres Gipsarms geschickt dafür gesorgt, dass Ada zwischen ihr und Esther Platz genommen hat. Vorne im Raum, vor dem Hintergrund der Vitrinenschränke mit den Gewehren, steht der Sarg, der nun geschlossen ist. Dort liegen große Blumengestecke und Bänder mit Abschiedsworten, möge er in Frieden ruhen. Neben dem Sarg steht ein kleines Rednerpult auf einem Podest. Es werden viele Ansprachen gehalten, von befreundeten Winzern aus der Gegend, die einen Schluck Wasser nehmen müssen, um weitersprechen zu können, von einem Weinbauern, der behauptet, nie einen besseren Chef gehabt zu haben, von einem pensionierten Manager, der Erinnerungen an Franks Humor hervorkramt, von einem asiatischen Angestellten mit einem schwer
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