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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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meine Mutter hält in der rechten Hand eine Teetasse. Hinter ihnen sieht man den rohen Verputz der Mauer, mit der unser Garten umgeben war. Meine Eltern sind tot, sie sind weit voneinander entfernt gestorben, meine Mutter erst viele Jahre nach meinem Vater. Die Stühle habe ich hierher verschiffen lassen, als ich mich in Martinborough niedergelassen hatte – zusammen mit einigen anderen indonesischen Sachen aus unserem Haus. Unter anderem ist da auch eine Maske mit runden, vorstehenden Augen. Sie soll die bösen Geister abwehren, wenn man daran glaubt. Meine Mutter glaubte daran, bis zu ihrer letzten einsamen Stunde. Dennoch hat die Maske meiner Meinung nach nicht ihre Aufgabe erfüllt, denn sie war nicht dazu in der Lage, die bösen Geister in ihrem Kopf abzuwehren. Hier hängt sie nun an einem Nagel, ohne dass jemand daran glaubt, ein hölzernes Schmuckstück aus einem fernen Land und einer vergangenen Zeit. Will man es als Rache bezeichnen, würde das schon wieder bedeuten, dass man daran glaubt.
    Ihn direkt nach einer Erklärung zu fragen, traute sie sich nicht. Doch sie begann, ihn immer mehr zu lieben. So konnte sie ihre Tage durchstehen. Inzwischen waren schon wieder zwei Jahre vergangen.

18
    Es war ein Samstag wie jeder andere. Einer dieser Tage, an denen man von singenden Vögeln im Garten geweckt wird, die sich dort nur für einen niedergelassen haben. Das Sonnenlicht wurde von den Kornähren auf der neuen Gardine gefiltert, und es tauchte das Schlafzimmer in ein güldenes Licht, das einen dankbar und zufrieden stimmte. Unten hörte sie das vertraute Geräusch der Orangenpresse, die Brummstimme von Hans und die heisere Kinderstimme von Bobby. Sie streckte sich und drehte sich auf die Seite. So blieb sie noch einen Moment liegen und hing ihren Gedanken nach. Wenn er ausgewählt wird, mache ich Schokoladenpudding für ihn. Tränen der Rührung traten ihr in die Augen. Ich habe es gut gemacht, dachte sie. Ich darf zufrieden sein, ich habe es verdient.
    Ein Tag mit Goldrand. Nach dem Frühstück fuhren sie zu dritt zum
Stadium
, wo Bobby ein Jugendturnier spielen sollte. Als Hans und sie im Zephyr saßen, sahen sie sich gerührt an, weil das Kind auf der Rückbank so tapfer versuchte, seine Aufregung zu verbergen. Ein Scout kam, um den besten Spieler für das Jugendteam in Wellington auszuwählen, und ihr Sohn hatte gute Chancen. Weil es eine außergewöhnliche Gelegenheit war, hatte Frank versprochen, dass er kommen würde. Er erschien in letzter Minute und nahm neben ihnen auf den harten Bänken der Tribüne Platz. Marjorie hatte von Rugby keine Ahnung, das Geschubse und Gezerre interessierte sie nicht, doch das ganze Spiel über genoss sie den Anblick ihres neunjährigen Sohnes, der versessen und ehrgeizig spielte und sich von nichts ablenken ließ, schon gar nicht von dem hohen Kreischen und den anfeuernden Ausrufen seiner Mutter. Sie saß da mit hektischen Flecken am Hals. Den Fanatismus hat er von mir, dachte sie, das haben wir im Blut. Diese Art von Feststellungen waren inzwischen so normal geworden, dass sie sich selbst nicht mehr bei der Unmöglichkeit der Aussage ertappte. Lachend fing sie ihn mit den Armen auf, als er nach Spielende mit der guten Neuigkeit aus der Umkleidekabine auf sie zugerannt kam: Mum, ich bin es, ich bin es geworden! Und stolz wie ein Pfau lief sie danach mit ihren drei Männern durch das Zentrum von Wellington, um ein bisschen zu shoppen, jetzt, wo sie ohnehin hier waren. Sie hatte Bobby einen Comic versprochen, den neuesten
Roy of the Rovers
. In einer Wolke der Zufriedenheit hakte sie sich bei Hans unter. Sie schwebte regelrecht über den Fußweg.
     
    Weil sie sich selbst für ziemlich tapfer hielt, hatte Marjorie sich lange Zeit dagegen gewehrt, dass Angst die Kehrseite der Liebe zu sein schien, die sie für das Kind empfand. Die ersten Jahre war das eine regelrechte Qual gewesen. Sie stand dann über die Wickelkommode gebeugt, voller Bewunderung starrte sie auf die kleinen Pobacken ihres Babys und konnte sich nicht vorstellen, dass die echte Mutter nicht etwas Ähnliches empfinden würde, wenn auch nur auf die Entfernung. Sog sie den betörenden Geruch des Babykörpers ein, dann war sie sich sicher, dass dieser den ganzen Weg von der Nordinsel bis zur Südinsel auch die Nasenlöcher von Esther in Christchurch erreichen würde. Ich bereue es, ich bereue es so sehr, hörte sie die Freundin weinen, gib mir mein Kind zurück. Diese Reue würde bei ihrer Weigerung schnell in

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