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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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Ecken von Marjories Bewusstsein. Langsam wirkte die Vorstellung, dass jemand – wer auch immer das sein möge – die Bindung zwischen Hans, ihr und Bobby zerstören könnte, beinahe albern.
    Sie waren eine normale Familie.
     
    So kam es, dass sie an diesem Samstag entspannt und zufrieden durch Wellington lief, hinter ihrem Sohn und am Arm ihres Mannes.
    »Liebst du mich noch?«, fragte sie.
    »Bleibt mir eine andere Wahl?«
    Sie liebte seine Witze. Er war mit Sicherheit nicht der aufregendste Mann der Welt, aber sie hatten es schön zusammen, und sie konnte sich keinen anderen vorstellen. Wahrscheinlich war das Liebe. Sie liebte seine ständige Fürsorge. Er zimmerte, hobelte, malte, entwarf einen Wintergarten und baute eine Waschküche. Bei Woolworths hatte er es inzwischen bis zum Leiter der Einkaufsabteilung gebracht. Er kaufte ihr alle modernen Geräte, die sie brauchte. Sie waren die Ersten in der Siedlung, die einen Fernsehapparat besaßen, einen
Fleetwood Cabinet
auf klapprigen, schiefen Beinen. Die Kinder aus der Nachbarschaft kamen zu Bobby, um fernzusehen. Wenn sie auf dem Teppich Platz genommen hatten, drehte sie an dem großen Knopf und fühlte sich dabei wie eine gute Fee.
    Marjorie ging regelrecht auf in der Sorge um ihren Mann. Die Tbc-Bazillen in seinen Lungen waren durch ihre Mahlzeiten in ewigen Schlaf gewiegt worden, zugedeckt von einem Deckel aus Fett. Seinen Bauchansatz sah sie als ihren persönlichen Sieg über den Tod. Das gab seiner Erscheinung etwas Unbeholfenes, was sie weniger entzückte, aber lieber so als anders.
    Sie liebte die Art, wie er sie liebte. Noch immer legte er seine Hände um ihre Taille. Seine Fingerspitzen berührten einander schon lange nicht mehr. »Ich werde dick«, rief sie kokett. »Sehr gut«, war dann stets seine Antwort, »dann habe ich mehr von dir.« Wenn sie in den Spiegel sah, konnte sie ihm nur zustimmen, denn dort stand eine Frau in der Blüte ihres Lebens. Die überflüssigen Pfunde standen ihr gut. Ihr gefiel es, sich erwachsen zu kleiden. Twinsets waren dafür gut geeignet, insbesondere wenn man die Jacke lose über die Schultern legte und dabei nur den obersten Knopf zumachte. Ihr glattes Haar ließ sie jede Woche in Wasserwellen legen. Zum Glück regnete es hier selten.
    Sie liebte ihr Kind abgöttisch, dieses aufgeweckte Kerlchen, voller Lebenslust – der beste Spieler auf dem Feld –, ihr Kind, das dachte, sie wüsste nicht, wie er an Sommerabenden aus seinem Schlafzimmerfenster über die Garage ins Schwimmbad entwischte. Sie liebte sich selbst dafür, dass sie seine geheime Freiheit so genießen konnte. Dann dachte sie an ihren Vater und zog ihm in Gedanken eine lange Nase, sieh nur, Pa, so geht es auch. Einmal brach sie danach in Tränen aus, worauf sie sich selbst überhaupt keinen Reim machen konnte.
    Marjorie liebte ihr Haus, ihre Einrichtung mit den hellen, schwedischen Möbeln, dem Blau der Dielen und dem Weiß der Fensterrahmen. Selbst das Dach war blau, mit einer weißen Dachrinne. Genau wie die Garage. An den Wochenenden stand Hans auf der Leiter und arbeitete am Anstrich des Hauses. Dann brachte sie ihm Kaffee (das Kaffeetrinken hatte sie sich nicht abgewöhnen können) und ein Stück ihres selbstgebackenen Kuchens. Sie saßen dann zusammen auf der Treppe und genossen den Ausblick über die Stadt, den Hafen und die Bucht. Wunderschön, bestätigten sie einander mit vollem Mund, während sie dem versonnenen Geräusch eines Rasenmähers auf dem Nachbargrundstück lauschten. In ihrem Garten, der schräg abfiel, wuchsen Palmen, große Farnbüsche und Rosen, die sie selbst gepflanzt hatte. Der Wind strich darüber hinweg und brachte Duftwolken mit sich, die sich mit dem Geruch des Kaffees vermischten. Dann kniff sie ihrem Mann fröhlich ins Knie. Die hohe Hypothek war Teil ihres klugen Plans, ihres vorausschauenden Blicks, gewesen.
Ihr
Plan,
ihr
Blick. Pa war damit noch immer nicht einverstanden. Allein schon des Tons in seinen Briefen wegen machte sie weiter.
    Sie liebte ihr Leben, mit Telefon, Fernsehapparat und dem Zephyr. Wie sie sich fühlte, wenn sie lässig den Arm aus dem offenen Fenster streckte, während sie aus ihrer Garage fuhr. Ihre Bekannten hatten Namen wie Kathleen, Norman und Edna, und oft zogen sie alle zusammen los zum
Sunday picknick.
Die Männer besprachen dann die nukleare Bedrohung, die Frauen redeten über die Kinder, die um sie herum spielten. Nach ein paar Bier fing Hans an, Witze zu erzählen. Manchmal sangen sie

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