Brautflug
Lieder von Cliff Richard oder die lustigen Songs vom Howard Morrison Quartet. »
My old man’s an All Black!
« (das war meistens der Moment, wenn die Kinder es vorzogen, ein Stück weiter weg zu spielen). Am Ende waren sie immer alle sehr vergnügt. Im Winter lud Marjorie die Leute zu sich nach Hause ein. Dann machte sie Sunday Roasts, die es durchaus mit denen von Kathleen und Edna aufnehmen konnten. Um ehrlich zu sein – ohne angeben zu wollen –, waren ihre sogar besser. Besser gewürzt. Die Frage war, ob man als Ausländer wohl jemals ein echter Kiwi werden würde. Eine gewisse Distanz war immer spürbar, doch würde ihr jeder zustimmen, dass sie es schon weit gebracht hatten. Ihr Einbürgerungsantrag war in Arbeit.
Als sie nach dem Spiel durch die Straßen von
Windy Wellington
lief, dachte sie jedoch nicht direkt über diese Dinge nach. Marjorie dachte vielmehr an neue Badesandalen für die ganze Familie und an die
Pie
, die sie zum Abendessen machen wollte. Sie dachte eben gerade
nicht
an Dinge, die Teil ihrer selbstverständlichen Wirklichkeit geworden waren. Sie stieß ihren Mann mit dem Ellbogen in die Seite, um ihn auf ihr Kind aufmerksam zu machen, das ein paar Meter vor ihnen auf rührende Art versuchte, genauso lässig und entspannt wie sein großer Held Frank zu laufen. Sie dachte daran, dass Bobby schnell wuchs und dass es gut möglich wäre, dass er größer als Hans werden würde. Dabei fiel ihr nicht einmal auf, dass ein solcher Gedanke sie gar nicht mehr beunruhigte. Unbesorgt genoss sie das Kindergeschnatter, die begeisterten Gebärden und die hohe Stimme, die sich vor Aufregung überschlug: Ob Frank gesehen hatte, dass dieser Verteidiger ein älterer Junge war, der schon auf der
Secondary School
war und dass er dennoch an ihm vorbeigezogen war? Zum Glück hatte Frank das alles gesehen. Und er hatte noch viel mehr gesehen, zum Beispiel, dass Bobby daraufhin noch einen
Side Step
gemacht und einen
Try
angetäuscht hatte. Die tiefe Stimme schmeichelte ihm. »Der Scout wäre schön dumm gewesen, wenn er dich nicht ausgewählt hätte.« Das passte ihr nicht. »He«, sagte sie auf niederländisch, »hör bloß auf, sonst steigt ihm das noch zu Kopf.« Frank drehte sich kurz um, zwinkerte ihr zu und führte sein Gespräch fort. Er fasste es wie selbstverständlich als Witz auf. Einen kurzen Moment schoss ihr das Blut in die Wangen. Am Arm ihres Ehemanns starrte sie auf die trägen Hüftbewegungen des Mannes, der ihr Freund geworden war, bei dem sie sich jedoch nie richtig wohlfühlte. Vor zwei Jahren war sie diejenige gewesen, die ihn auf dem Rasen beim Juniorenrugby erkannt und seinen Namen gerufen hatte. Manchmal wünschte sie, sie hätte diesen Moment einfach verstreichen lassen. Hans verstand das nicht. Er sah in jedem Menschen immer nur das Gute. Frank und er konnten stundenlang über den Bauzeichnungen des Hauses auf dem Weinberg sitzen und mit Fachbegriffen um sich werfen. Eigentlich konnte sie sich selbst nicht wirklich einen Reim darauf machen. Frank war freundlich und hatte gute Manieren.
A handsome bloke
. Im Innersten ihres Herzens konnte sie es nicht ertragen, dass er besser aussah als Hans, und sie suchte bei ihm nach Fehlern. Er hat merkwürdig schräge Augenbrauen und Ringe unter den Augen. Und er hat einen schleppenden Gang. Es ärgerte sie, dass Edna und Kathleen sich anders verhielten, wenn er dabei war. Sie selbst war dafür nicht empfänglich, für dieses blöde Gehabe. Aber die Art, wie er sie ansah, ging ihr auf die Nerven. Bei der Hausarbeit zum Beispiel, als würde er sich so seine Gedanken darüber machen. Er muss doch nicht immer so gucken, sagte sie oft zu Hans. Wie guckt er denn? Das konnte sie nicht erklären. Vielleicht denkt er, dass er etwas Besseres ist. Unsinn, sagte Hans, davon habe ich noch nie etwas gemerkt, und er versetzte ihr einen fröhlichen Klaps auf den Hintern. Er hatte wirklich mit nichts ein Problem. Auch nicht mit Eifersucht, wenn Bobby mit unzähligen Geschichten von einem Tag auf dem Weingut zurückkam und erzählte, dass er mit Mozie Rugby geübt hatte und mit Frank mit dem Jeep zum
Bird Shooting
hatte mitfahren dürfen. Hans konnte zufrieden Arm in Arm mit ihr durch Wellington spazieren und seinem Freund von Herzen die Bewunderung seines Sohnes gönnen. So war er, und darum war sie mit ihm verheiratet. Marjorie atmete tief durch und nannte sich selbst an diesem sonnigen Sonntag einen glücklichen Menschen. Einer dieser besonderen Momente,
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