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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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wenn man sich dessen auf einmal bewusst ist. Heute Abend würde es also tatsächlich Schokoladenpudding geben. Sie schmiegte sich noch fester an Hans. Ihre Körper berührten sich einen Moment lang in alter Vertrautheit. Am Abend zuvor hatte sie ihren rosa Nylon-Babydoll angezogen, ein Zeichen, das er schnell verstand. Dies war ein Tag mit Goldrand.
     
    In der Cuba Street, kurz bevor sie die Straße überqueren mussten, um zum Buchladen zu gelangen, erregte eine Gruppe Menschen ihre Aufmerksamkeit, die auf der Straße standen und auf ein Geschäftsgebäude sahen. Sie sah einen Bauarbeiter auf einer Leiter stehen und große Buchstaben auf die Ladenfassade malen. Vor dem Geschäft parkte ein Möbelwagen mit heruntergelassener Ladeklappe. Männer in Overalls hievten Dinge aus dem Umzugswagen heraus nach drinnen: Kleiderständer, Schaufensterpuppen, Spiegel, es sah wie das Inventar eines neuen, modernen Damenmodeladens aus.
    »Ganz kurz gucken, was da los ist.«
    »Komm jetzt, Mum.«
    Geht ihr mal vor, machte sie ein Zeichen, und lief weiter. Männer haben kein Interesse an solchen Dingen.
    Es war ein breites Gebäude mit zweiflügligen Türen, deren Glas in elegant geschwungenes Holz gefasst war. Links und rechts der Türen waren große Schaufenster, die mit braunem Packpapier zugeklebt waren. Marjorie sah nach oben, zur Etage oberhalb des Ladens. Durch die Fensterscheiben hindurch konnte sie erkennen, dass die Umzugsleute auch dort Ankleidepuppen, Spiegel und aufgerollte Teppiche hineintrugen. Alles sah ziemlich aufwendig aus. Dies wurde ein Laden, wie es nicht viele in der Stadt gab. Sie nahm sich vor, eine der ersten Kundinnen zu werden. Sie brauchte ohnehin einen feinen neuen Rock und eine Bluse. So würde sie Edna und Kathleen dann beiläufig erzählen können, dass es einen hübschen neuen Laden gab, sehr modern, wie komisch aber auch, dass ihr ihn noch nicht kennt. Dann kletterte der Maler von der Leiter herunter, und sie konnte die Buchstaben sehen, die er gerade fertig gemalt hatte. Es waren moderne, schlanke, schwarze Buchstaben, die sich an der Oberseite elegant etwas nach vorn neigten. Wenn man genau hinsah, hatten sie Ähnlichkeit mit Mannequins.
    Lady Esther Boutique.
    Marjorie schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, stand sie noch immer an derselben Stelle. Irgendwo in weiter Ferne begann eine Sirene zu heulen. Ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, bohrte sich ihr Blick suchend durch die geöffneten Türen, bis tief in das Innerste des Ladens, wo sich Leute mit schnellen Bewegungen hektisch hin und her bewegten, wie Farbflächen, die vorbeischießen, wenn man aus dem Zugfenster sieht. Jemand legte eine Hand auf ihren Rücken.
    »Wo bleibst du denn?«, fragte Hans.
    Nun konnte sie in den Farbflächen eine Frau in einem rosaroten Kostüm erkennen, eines dieser Kleidungsstücke, die man von Fotos von Jackie Kennedy kannte. Die Frau stand mit dem Rücken zu ihnen und hatte dunkles, lockiges Haar. Sie trug schwarze Pumps mit hohen Absätzen. Wie eine Bake stand sie inmitten des Chaos und winkte mit einem bunten Farbfächer in Richtung eines blassen, jungen Mannes. Diese einzige Geste hätte schon ausgereicht, um Esther zu erkennen.
    »Komm«, wollte Marjorie zu Hans sagen, »schnell«, doch aus ihrer Kehle kam kein Ton. Er hatte Esther ebenfalls erkannt und blieb überrascht stehen. Der lange, dünne Arm in dem rosaroten Ärmel zeigte mit einer theatralischen Geste auf die Wände, die sie umgaben, und dabei drehte Esther sich um ihre eigene Achse und sah Marjorie direkt ins Gesicht.
    Das Kind stand sofort zwischen ihnen.
    Marjorie hoffte, betete besser gesagt, dass Frank mit ihm weiter zur Buchhandlung gegangen war. »Oh … oh«, sagte sie, es war mehr ein Ächzen, das ihrer Kehle entwich, und noch einmal, »oh … oh …«
    Es gab kein Entrinnen.
    Esther erholte sich als Erste. Man konnte sehen, wie sie sich zusammenriss und schnell die alte, kecke Pose annahm, sich unter ihrem Kostüm versteckte. Der große Mund mit den roten Lippen öffnete sich zu einem übertriebenen Willkommensschrei, wobei die Zähne in Reih und Glied einen Gruß artikulierten. Ihr Arm schoss in die Höhe. Große Armreife glitten klimpernd bis zur Hälfte ihres Unterarms herab.
Hello!
Das wohlbekannte, heisere Lachen. Es war überdeutlich, bei dieser Frau stand Gehabe auf der Tagesordnung. Eins, zwei, drei, wurden die wiegenden Hüften auf dem Weg zur Tür eingesetzt. Aber an der Art, wie die dünnen Knöchel über den

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