Brautflug
doch nicht mehr machen!« Aber seine älteren Geschwister – so viel flinker als er – waren bereits außer Sichtweite. Sein Geschrei verebbte irgendwo auf der Straße, und Danny wandte sich entrüstet an seine Mutter – ebenfalls ein tägliches Ritual. Sie ergriff seine wütende, kleine Schwitzehand, hörte die stolz zurückgehaltenen Tränen in seinem Klagegesang und hoffte, dass man im Leben sanft und gut zu ihm sein würde, zu diesem kleinen, ungelenken Jungen, der bei ihren gemeinsamen Läufen immer irgendwo auf halber Strecke scheiterte. Er hing mit seinem vollen Gewicht an ihrem Arm. Mitleidig nahm Ada die schwerfällige Unbeholfenheit wahr, mit der er sich aus dem nassen Sand wieder aufrappelte, um sich tapfer zu seiner Mutter vorzuarbeiten. Herr, nimm dieses Kind in Deine Obhut.
Es gab noch immer keine Zufahrtsstraße. An schlechten Tagen war der Hügel eine einzige matschige Schlammpfütze. An schönen Tagen lag überall Sand im Haus. Von Kinderstiefeln hineingetragen oder vom Wind hereingeblasen. Sie hatte den Wunsch nach einem normalen, sandfreien Haus aufgegeben, doch dieser Zugangsweg war ein ständiges Thema zwischen ihr und Derk. Erst fehlte das Geld. Der Lohn, den Derk als Rangierer bei der Eisenbahn verdiente, reichte gerade zum Leben aus. Als Danny in den Kindergarten kam, fing Ada an, als
Postie
zu arbeiten. Es wurde als unschicklich betrachtet, dass eine verheiratete Frau arbeitete, und manchmal schämte sie sich dafür. Von Adas Lohn war eine Summe zusammengekommen, die ausreichen musste, um davon Arbeiter und Material zu bezahlen. Daran lag es also nicht mehr. Das Problem war, dass die Gemeinde sich weigerte, den Grund und Boden zu verkaufen, und Derk für seinen Teil nicht einsah, warum er einen Weg für die Gemeinde anlegen sollte. Das Ganze hatte sich zu einem erbitterten Streit hochgeschaukelt, was nicht gerade zuträglich für die Stimmung zu Hause war. Also pflügte Ada sich weiterhin jeden Tag den Weg hinauf und hinab, mit ihren Kindern und den Einkäufen. Unten, am Fuße des Hügels, hatte Derk ein Regendach gezimmert. Dort hatten früher, als die Kinder klein gewesen waren, die Kinderwagen gestanden
,
weil sie sie nicht durch den Sand heraufziehen konnte. Manchmal dachte Ada daran, wie sie hochschwanger, mit schweren Taschen beladen, ein Kleinkind wacklig auf dem Arm und ein anderes widerspenstiges Kind an der Hand, Schritt für Schritt den Hügel heraufgekraxelt war und dabei das ungute Gefühl gehabt hatte, dass so tatsächlich ihr Leben aussah und dass es nie mehr anders werden würde. Damals hatte sie das noch nicht glauben können.
Inzwischen standen die Fahrräder unter dem Dach. Während sie mit halbem Ohr dem Geschwätz lauschte, wer nun gewonnen hatte und dass das alles nicht fair war, nahm Ada ihr Rad und hievte das erstaunliche Gewicht des kleines Mannes auf den Gepäckträger. Nicht, dass Danny dick war. Es schien vielmehr, als würde alles an ihm nach unten ziehen, als würde die Schwerkraft bei ihm mehr wirken als bei den anderen beiden, die gewandt waren und sich fast ausschließlich hüpfend fortbewegten. Ach, Kind, wie schwer du bist, sagte sie im Stillen, voller Rührung. Peter kletterte auf ihren Sattel, geschickt und schnell, während sie sich abmühte, dass das Fahrrad im Matsch nicht umkippte. Julie, die schon zehn war, hatte ihr eigenes Rad. Jeden Tag, wenn Ada ihre Älteste, benannt nach Königin Juliana, gesund und munter herumspringen sah, gab es einen Moment, in dem sie dankbar ein Gebet in den Himmel schickte. Nach der Geburt war ihre Panik erst weniger geworden, als sie sich selbst vergewissert hatte, dass ihr Baby zehn Finger und zehn Zehen besaß, dass es keinen offenen Rücken und keine Gaumenspalte hatte und dass auch keine Heuschreckenplage, tödliche Hagelkörner oder die Beulenpest anrückte – alles Dinge, die sie hätte erwarten können, da das Kind in Sünde gezeugt worden war.
A wonderful healthy daughter
, hatte die Hebamme gesagt, die von all dem nichts wusste. Doch Ada war weiterhin überzeugt davon, dass sie durch ihre Kinder bestraft werden würde, und wagte daher niemals wirklich, an dieses Mädchen zu glauben. Als zwei Jahre später Peter geboren wurde, war sie noch immer nicht beruhigt. Aber nichts passierte, die Kinder wuchsen vorbildlich heran, und bei dem dritten dachte sie: Dieser ist für mich. Sie beugte sich im Wochenbett vornüber, griff wie ein Schaufelbagger zwischen ihre Beine und zog ein kompaktes, blindes kleines
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