Brautflug
Kessel, lauschte gedankenverloren dem Geräusch des Wassers aus dem Hahn, zitterte vor Kälte bei der Berührung des nassen Rockes an ihren Beinen, warf einen flüchtigen Blick ins Zimmer, ob dort alles in Ordnung war, und spürte mit einem Mal, wie die Gänsehaut auf den Armen sich in Windeseile über ihren gesamten Körper ausbreitete. Die Tür zum Schlafzimmer war verschlossen. Derk war zu Hause, kam jedoch nicht zum Vorschein und ließ nichts von sich hören.
»Where is daddy?«
Die Stimme betont sorglos erklingen lassen, Wasserhahn zudrehen, alles ganz normale Tätigkeiten, ein Tag wie jeder andere. Nachher mit ihnen zusammen Pfannkuchen backen, es trat wieder Ruhe ein. »Daddy!«, rief der Jüngste, ohne von seinem Spiel aufzusehen oder sich zu fragen, wo sein Vater sein könnte. Väter und Mütter sind doch immer da.
Es kam keine Antwort. Die Tür zum Schlafzimmer blieb verschlossen. Ada setzte den Kessel auf den Herd, machte aber noch kein Feuer, aus einem Instinkt heraus, den sie seit der Geburt ihrer Kinder entwickelt hatte, einem Instinkt zur Erhaltung der Art, nicht den Kessel auf das Feuer stellen und weglaufen, wenn die Kinder in der Nähe sind.
Vor allem nicht, wenn du nicht weißt, wie lange du wegbleibst.
Die feuchte Kälte in ihrem Schlafzimmer. Er stand an der geöffneten Schublade ihres Schrankes, einen Brief in der Hand. Auf dem Bett hinter ihm lagen noch mehr Briefe. Die gehäkelte Baumwollüberdecke war verkrumpelt, er hatte dort gesessen, wie lange wohl, und alles gelesen. Sie sah auch das Foto mit den Kisten und dem Cowboyhut. Schnell schlüpfte sie ins Schlafzimmer und schloss hinter sich die Tür, indem sie ihr mit dem Hintern einen Stoß versetzte, ein Überbleibsel aus der Zeit, als alles noch normal war, die Tür schloss nicht gut, man musste ihr einen extra Stoß versetzen, damals. Er starrte sie an, und in seinen Augen sah sie die Frau, die sie in Wirklichkeit war, eine Betrügerin.
»Wer ist Frank de Rooy?«
Das Mühlrad kam keuchend zum Stillstand.
Was habe ich mir eigentlich gedacht. Als hätte das gut gehen können. Das Blut sackte ihr in die Beine. Schwindelnd stand sie da. Sie war todmüde, und vor ihren Augen verschwamm alles. Was passieren würde, war so unumgänglich, dass sie sich in Gedanken lieber ins Wohnzimmer flüchtete, hinter die geschlossene Tür, wo sie Geräusche hörte, die sie in jeder Einzelheit deuten konnte. In einem wilden Spiel als Ritter und Drachen war der Kleinste umgekommen. Er war das Opfer, wie immer. Und der umgekommene Ritter oder Drache, die niedergeknallte Rothaut, der exekutierte Spion oder der von Kreuzfahrern durchsiebte Muselman war nicht damit einverstanden. Danny fing an zu brüllen. Ich muss zu ihm.
»Du bist aber früh«, sagte sie.
Derk sagte nichts. Er zitterte. Das Gebrüll im anderen Zimmer, die hörbare Präsenz ihrer Kinder, verzögerte den Ausbruch noch um kurze Zeit. So standen sie im luftleeren Raum, vor dem Sturm, und starrten einander an. Fast hätte sie unkontrolliert angefangen zu kichern, was sie nur dadurch unterdrücken konnte, dass sie ihre Kiefer aufeinanderbiss, wie um ein Gähnen zurückzuhalten. Ein winziger Piepston entkam ihrer Kehle.
Hinter Ada wurde die Tür von Drachentöter Julie aufgedrückt. »Er ist gefallen!«, rief sie, »ich habe ihn nicht geschubst!«
Weder Derk noch sie waren in der Lage zu reagieren. Ada trat hölzern einen Schritt zur Seite und blieb schweigend neben der Tür stehen, sah, wie das Kind erstarrte, und dachte, wie wir hier nur wieder herauskommen, ich war ungehorsam, und schau nur, was jetzt passiert, allen guten Ratschlägen zum Trotz habe ich getan, wonach mir selbst der Sinn stand, als wäre ich Fortuna persönlich. Und jetzt habe ich mich in eine Salzsäule verwandelt. Ada hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Sie sah, wie Julie zögerte, sich vortastete und mit scheuen Fühlern den Nebel sondierte, mit Mum und Dad stimmte etwas nicht.
Ich kann dir nicht helfen. Ich weiß nicht, wie.
Der gefallene Ritter, brüllend vor Wut über den Todesstoß, den man ihm versetzt hatte. Wieder einmal durfte Danny nicht mehr mitspielen. Er drückte auf seine typische plumpe Weise die Tür auf und zerschnitt damit die Atmosphäre. »Sie schubsen mich … ich darf nicht … sie sind ungerecht … das ist gemein!« Ich muss eingreifen, signalisierte Ada ihrem Mann wortlos und löste sich aus ihrer Erstarrung, schob die Kinder vor sich her zurück ins Wohnzimmer, ihre ganze
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