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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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Murmeltier mit Nabelschur und allem Drum und Dran über ihren Bauch hinweg zu sich heran. Er knurrte leise, und sie schloss ihn auf der Stelle ins Herz. Oh, du bist das, sagte sie und leckte das Fett von seinem Köpfchen, bis die Hebamme ihn an sich nahm. Mit diesem Jungen durfte sie von Herzen glücklich sein. Allmählich schien es, als hätte der Herr ihr tatsächlich vergeben. Das Einzige, was sie nun tun musste, war, ohne Sünden weiterzuleben. Jeder anderen wäre das gelungen.
    Auf den Pedalen stehend fuhr sie ihre Kinder zur Schule, eine Entfernung von vier Meilen. Ein Schulbus kam zwar durch ihr Viertel, aber der war für die Katholiken. Reformierte Kinder durften nicht damit fahren.
     
    Männer wurden in ihrer Anwesenheit nervös, daran hatte sie mit der Zeit Gefallen gefunden, und obwohl sie zu verlegen war, um spontan darauf zu reagieren, kannte sie die Blicke nur zu gut, die die Lehrer ihr zuwarfen, wenn sie ihre Kinder an der Schule absetzte. Sie hatte sich auch an die ungeschickten Witze ihrer männlichen Kollegen auf dem Postamt gewöhnt, wie sie sich um sie bemühten und darum stritten, wer ihr die vollen Posttaschen zum Fahrrad bringen durfte. Verstehen konnte sie es nicht. Manchmal sah sie sich selbst, wie sie auf dem Rad vornübergebeugt gegen den Wind ankämpfte, mit nassen, strähnigen Haaren und von der Kälte geröteter Nase, in ihrer unförmigen Jacke, erschöpft von der Schlepperei, müde, müde, müde, und dann fragte sie sich, was diese Männer wohl in ihr sahen, was es wohl sein könnte. Die Ada, die sich in den Briefen an Frank zeigte, war eine Frau, die sie selbst kaum kannte, jemand, der so viel Liebe und Schönheit besaß, dass sie allein dadurch schon Recht auf ein Leben hatte, das nicht im Entferntesten dem ihren ähnelte.
     
    Nur gut, dass er mich nicht sehen kann, dachte sie, als sie an diesem Mittag nach der Arbeit mit den Kindern zurückfuhr, im peitschenden Sturzregen und mit einem so bösartigen, stürmischen Seitenwind, dass Julie mit ihrem gesamten Fahrrad umfiel. Es war einfach zu viel Wind für das dünne Mädchen. Also musste Ada mit den zwei Jungen ebenfalls absteigen und ein ganzes Stück schieben, sodass sie viel länger als sonst für den Weg brauchten. Als sie unten an ihrem Hügel ankamen, war sie von innen und außen durchgepustet. Gut, dass er mich nicht sehen kann, der einzige Segen in meinem Leben, in dem die Tage sich aneinanderreihen wie ein Mühlrad, das sich träge im nassen Matsch dreht und niemals ans Ziel gelangen wird. Derks Lastwagen stand schon da. »Visser Transport«, die Buchstaben hatte sie eigenhändig daraufgemalt, vor einem halben Jahr, als er wegen seines Dickkopfes bei der Eisenbahn gefeuert worden war. Sie unterstützte ihn natürlich in seinem Konflikt mit der Gewerkschaft – eine Frau hält immer zu ihrem Mann –, er hatte in allem recht, eine geradlinige, starrköpfige Gerechtigkeit, unter der er täglich mehr litt. Ada war nach seiner Kündigung vollkommen damit einverstanden gewesen, dass er einen gebrauchten Bedford-Fünftonner kaufte und eine eigene Transportfirma gründete. Das alles musste sich erst noch entwickeln.
    Nun war Derk früher als sonst zu Hause. Ohne irgendeinen Gedanken in ihrem leer geblasenen Kopf startete Ada die tägliche Kletterpartie, während die zwei Ältesten geschickt die Matschpfützen umgingen und Danny – Schnodderfäden wehten ihm um seine rauen Wangen – sich an ihrer Jacke festhielt und sich hochziehen ließ. Selbst laufen, Liebling, wollte sie sagen, aber der Wind trug ihre Stimme davon, bevor sich die Worte geformt hatten. Einen Moment lang wurde es ihr zu viel. In ihrem Innersten zerbiss ein wütendes Monster kleine Kinderhälse. Aber zu dem Zeitpunkt, als sie mit ihrem Jüngsten an der Hand oben auf dem Hügel angekommen war und auf die Tür des Bunkers zuging, hatten Atemnot und Demut alle Monster verkümmern lassen.
     
    Die Kinder rannten herum, wie Kinder das tun. Ada klaubte eine klitschnasse Jacke vom Boden, wie Mütter das tun. Sie ermahnte die Kleinen, etwas leiser zu sein, da Dad zu Hause war. Aber wo war Dad überhaupt? Sie ging in die Küche, um Tee aufzusetzen, sah die Farbbläschen auf dem Betonboden, genau wie gestern und all die Tage zuvor. Dagegen muss ich wirklich bald was unternehmen, dachte sie. Sie trocknete ihre Haare mit dem Handtuch ab, das nicht besonders frisch roch, es muss in die Wäsche, putzte sich daran auch die Nase, es muss ja ohnehin in die Wäsche, nahm den

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