Brautflug
heranlaufen. Von der anderen Straßenseite kam er mit großen Schritten auf sie zu. Ihr Herz tat einen Sprung, obwohl sie es eigentlich besser hätte wissen müssen. Unverdrossen fuhr sie fort mit Zuprosten und unzähligen Versprechen, doch sie behielt ihn zwischen all den Menschen hindurch im Auge und sah, wie er zurückwich vor dem engen Salon voll aufgeregtem Frauenschweiß und Parfumdüften, wie er dann seinen Cowboyhut absetzte und sich nach drinnen durchkämpfte. Bei der Gruppe Mannequins, die an der Tür stand, verursachte seine Erscheinung ein unterdrücktes Beben. Gut erzogen wie immer, bat er um Entschuldigung, doch er flirtete nicht. Seine Augen waren dunkel und suchten unruhig den Raum ab, als wäre dort jemand, den er dringend sprechen musste. »Was für eine einzigartige Geschichte über die Bräute beim
Great Air Race
«, bemerkte eine Redakteurin von
Woman’s Weekly
, »damit müssen wir unbedingt etwas machen. Waren es wirklich hundert? Und welch ein entzückendes Brautkleid, mein Kompliment!« Rits, der wie festgewachsen neben Esther stand, da er am Ruhm teilhaben wollte, lachte bescheiden.
»Ja«, sagte Esther, »das war vielleicht was. Das ganze Flugzeug – von vorne bis hinten – eine einzige verträumte weiße Wolke.« Sie machte sich mit einer Ausrede von ihnen los und schob sich grüßend und händeschüttelnd in Franks Richtung.
Kann ich dich einen Moment sprechen?
Draußen musste sie gegen das unerwartet helle Licht anblinzeln, sie verspürte ein trügerisches Abendgefühl von Alkohol, Rauch und Jazz in ihrem Körper. Was ist los? Er lief aufgeregt den Fußweg auf und ab, hob die Arme und ließ sie wieder sinken, in einer eigenartigen, selbstanklagenden Gebärde. Sie sah, dass er wütend war und sich nur mit Mühe beherrschen konnte.
»Ich bin zu spät.«
»Nicht für die Cocktails.«
»Wie ist es gelaufen?«
»Standing ovations.«
»Hm.«
»Ob sie die Dinge auch tragen werden, ist eine andere Frage. Oder ob sie überhaupt bereit sind, dafür zu bezahlen. Wir werden sehen.«
Er hatte nicht zugehört, denn er drehte sich mitten im Satz zu ihr um.
»Hast du sie noch gesprochen in der letzten Zeit?«
»Wen?«
»Hans und Marjorie. Und Bobby.«
»Nein … ja … vor zwei Wochen. Ein kurzer Besuch.«
»Ist dir etwas aufgefallen?«
»Äh … nein.«
»Und danach … hast du sie danach noch gesprochen?«
»Nein, danach nicht mehr.«
»Du hast sie nicht angerufen?«
»Nein.«
»Auch nicht gesehen?«
»Nein.«
Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und fluchte. Ein unangenehmes und ernüchterndes Gefühl kroch ihr den Rücken herauf. Hier läuft etwas falsch, ganz und gar falsch.
»Du?«, fragte sie.
»Ich hatte sie ein paar Mal am Telefon, um zu fragen, wie es Bobby geht. Aber ich musste die ganze Zeit arbeiten, erst den Bauern bei der Ernte helfen und danach selbst lesen. Ich dachte: Wenn ich zur Eröffnung von Esthers Laden gehe, fahre ich davor in Khandallah Village vorbei, dann kann ich Bobby besuchen.«
»Ja, und?«
»Ich habe gestern angerufen, um mich anzukündigen, doch sie haben nicht abgenommen. Gestern Abend habe ich es noch einmal versucht. Später dann noch einmal und heute Morgen wieder. Keine Antwort. Daraufhin fing ich an, mir Sorgen zu machen: Bobby geht es nicht gut, dachte ich.«
Der Erfolg, der Salon, alles drehte sich unter ihr weg.
»Und dann?«
»Heute Morgen nach der Arbeit habe ich wieder angerufen. Keine Antwort. Dann bin ich hingefahren.«
»Und?«
»Sie sind weg.«
»Das Haus ist leer. Sie sind weg.«
Er erzählte ihr die Geschichte. Die ersten Sätze drangen nicht zu ihr durch, denn in Gedanken saß sie wieder auf der Bettkante des Jungen.
»Ich habe meinen Jeep vor dem Haus geparkt und gemerkt, dass etwas anders war, eine merkwürdige Atmosphäre herrschte dort, eine Geisterstimmung. Ich bin durchs Gartentor gegangen, und das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, hat sich verstärkt. Ich habe ›Hello! gerufen, so wie ich es immer mache, ein paar Mal, aber keine Reaktion. Und hinten im Garten, beim Wintergarten und auf der Terrasse, schien alles so … aufgeräumt, so … leblos. Alle Rattanmöbel waren weg, genau wie die Angelsachen und Bobbys Fahrrad, das immer an der Garagenwand lehnte. Die Hintertür war verschlossen. Die Tür stand normalerweise immer offen, selbst, wenn sie nicht da waren. Also sah ich durchs Fenster in die Küche. Der Küchentisch stand nicht da, keine Stühle, keine Rührschüsseln auf der
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