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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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er mich.«
    Marjorie, Tyrannin.
    »Esther«, fragte er, »was hältst du von all dem?«
    Sie sah über die Schulter hinweg auf die Lady Esther Boutique. Hinter den beschlagenen Scheiben standen ihre Gäste eng beieinander. Von Glasscheiben eingeschlossene Partystimmung, ein Aquariumstanz erhitzter Gesichter. Rits warf mit schallendem Lachen den Kopf zurück, um der Redakteurin etwas zu erklären. Die Mannequins strichen sich neckisch ihre Haarsträhnen aus dem Gesicht und wippten von einem Bein aufs andere. Sie waren in genau diesem Moment von normalen Mädchen zu möglichen Filmstars geworden. Niemand machte Anstalten zu gehen, die Gespräche waren zu anregend, die Musik zu gefällig, die Cocktails zu süß. Während sie alle hier waren, hatte eine neue Zeit begonnen, und das musste gefeiert werden. Nachher würde sie sich persönlich von jedem verabschieden und mit einer geistreichen Bemerkung dafür sorgen, dass vage Versprechungen auch in die Tat umgesetzt wurden. Danach müsste aufgeräumt werden, die Kleider aufgehängt, der Laufsteg abgebaut und der Salon sauber gefegt. Das Leben musste weitergehen.
    »Wir sind doch am Ende eine gewissenlose Rasse«, sagte Frank.
    Zum zweiten Mal in zehn Jahren streckte Esther ihre Hand nach ihm aus.

27
    Langsam, Meter für Meter, sinkt der Sarg in die Tiefe. Der Friedhof ist ein offenes Rasenfeld, umsäumt von Bäumen. Er grenzt an die Äcker des Weinberges. Die Gräber sind schlicht, ohne viel Marmor und auffällige Gedenktafeln, die meisten sind grasüberwachsen. Kleine Steine markieren das Kopfende des Grabes. In der Stille schieben sich die Eingeladenen an dem tiefen, rechteckigen Loch vorbei. Wenn man sich irgendwo in der Mitte des Zuges befindet, wie Marjorie, Bob und Hannah, oder ganz hinten, wie Ada und Esther, muss man viel Geduld mitbringen. Alle Füße bleiben direkt vor der Grube stehen. Neben der Grube liegt ein großer Haufen Sand, vermischt mit Erde und Kieselsteinen. Manche Leute werfen ihn mit den bloßen Händen auf den Sarg, andere nehmen die Schaufel, die aufrecht im Sand steckt. Jedes Mal, wenn die Erde das Holz des Sarges berührt, hallt derselbe dumpfe Schlag wider, und man hört die Kieselsteine, die davon abprallen. Rosen und andere Blumen werden auf den Sarg geworfen, es fallen Briefe ins Grab und auch ein Schlüssel. Jemand besprengt den Sarg mit Rotwein, als wäre es Weihwasser. Viele Menschen schließen einen Moment lang die Augen. Andere schauen durchdringend auf den Sarg. Alle nehmen in Stille Abschied von Frank.
Bye, mate
.
    Wie eine Zeitbombe unter ihrer Ehe. Die Rückkehr nach Holland schien wie eine Zeitbombe unter ihrer Ehe zu ticken. Zum ersten Mal in all den Jahren wandte Hans sich von ihr ab. Er hatte getan, was sie wollte – wie immer –, doch er war wütend und hielt nicht damit hinterm Berg. Er nannte sie ›Marjorie‹ anstatt ›mein Mädchen‹, und seine Hände blieben ihrer Taille fern. »Du bist wie dein Vater«, bemerkte er kalt. Schlimmer hätte er sie nicht treffen können. Denn obwohl ihr Vater ihnen in dem elterlichen Haus in Zaandam Unterschlupf gewährte, legte er noch immer ein Verhalten an den Tag, das ein Zusammenleben unmöglich machte. Wie kleine Kinder mussten sie seinen Regeln gehorchen, und er ließ keine Gelegenheit aus, ihnen unter die Nase zu reiben, dass er es schon immer geahnt hatte. Seht ihr, gesenkten Hauptes seid ihr zurückgekommen. Seht ihr, das teure Haus mit Verlust verkauft. Siehst du, du hast einen Mann geheiratet, der untüchtig ist, der keinen festen Stand hat. Es war nicht auszuhalten. Sobald Hans eine Stelle gefunden hatte, zogen sie in eine Mietwohnung in einer schmalen Straße in Amsterdam. Im dritten Stock wohnten sie, mit kleinen Schiebefenstern und einem winzigen Balkon, der voller Taubendreck war. Und wieder wurde Marjorie krank vor Heimweh, doch dieses Mal war es Heimweh nach Neuseeland. Sie starrte auf die grauen Häuserfassaden gegenüber und konnte jedes Mal heulen, wenn sie an Khandallah Village dachte, an ihr schönes blaues Haus, an den schönen blauen Himmel, an ihr schönes blaues Leben. Die spektakuläre Aussicht auf das Meer. Nichts gefiel ihr in Holland. Jeder war mit sich selbst beschäftigt. Der lang ersehnte Hering schmeckte tranig. Und Bobby, ihr stolzer Junge, tat sich mit dem Leben in diesem Land besonders schwer: Wo schwimmen sie denn hier? Wo spielen sie Rugby? Warum spielen sie kein Rugby? Wo spielen sie überhaupt? Wann fahren wir zurück? Er trottete mit

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